Haushaltsrede 2023 (Christa Heckel)

Haushaltsrede Bündnis 90/Die Grünen im Bezirkstag Mittelfranken 06.12.2022

Sehr geehrter Herr Bezirkstagspräsident,
sehr geehrte Frau Regierungspräsidentin Dr. Engelhardt-Blum,
sehr geehrte Frau Direktorin Eppe-Sturm,
sehr geehrter Herr Dr. Keilen,
sehr geehrte Frau Zeitler-Dauner,
sehr geehrter Herr Weispfenning,
stellvertretend für die Referent*innen der Bezirksverwaltung, 
sehr geehrte Mitglieder des Personalrats, 
Mitarbeiter*innen der Verwaltung, der Einrichtungen und der Bezirkskliniken,
sehr geehrte Gäste und Pressevertreter, 
geschätzte Kolleginnen und Kollegen,  

Dieses Jahr ist gekennzeichnet ist von ungeahnten Krisen, Krisen die sich übereinanderstapeln, Klimakrise, Corona, dann, als Folge der Lock-Downs, eine Lieferkettenkrise. Und nicht genug, seit dem 24.02. führt Putins Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine und löst damit eine Energiekrise, in Teilen der Welt eine Lebensmittelkrise und eine bis vor kurzem nicht vorstellbare Inflation aus. Das ist der Hintergrund vor dem wir heute einen Haushalt für den Bezirk Mittelfranken für das nächste Jahr verabschieden wollen.

Wir sehen uns ständig neuen Herausforderungen gegenüber, gleichzeitig werden alte Überzeugungen und Gewohnheiten erschüttert. Wir müssen unser Handeln und unsere Prozesse ändern und das in einem Tempo, das uns in Atem hält. Daraus entstehen aber auch Chancen für Veränderung und das Stellen von Weichen für mehr Resilienz in der Zukunft.

Demgegenüber wirkt der Haushaltsentwurf 2023 zunächst, als könnten ihm alle diese Krisen nichts anhaben. Moderate Steigerung in der Gesamtsumme, stabile Umlage, ausgeglichen.

Eine einfache Aufgabe war die Aufstellung des Haushalts trotzdem nicht. Die Inflation von aktuell ca. 10% wird Auswirkungen auf Preise und Gehälter haben, die sich im Einzelnen nicht zuverlässig prognostizieren lassen. Das Kämmereipaket berücksichtigt daher vorausschauend Zuschläge auf den Haushaltsentwurf hinsichtlich Tarifsteigerungen und allgemeiner Energiepreisentwicklung, um im kommenden Jahr handlungsfähig zu bleiben.

Mit etwa 890 Mio. € ist der Sozialetat der größte Posten unseres Verwaltungshaushalts. In dieser Summe verbirgt sich die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung, weiter die Hilfe zur Pflege und Leistungen der Jugendhilfe. Mit der Umsetzung des Bundes-Teilhabe-Gesetzes und der Zuständigkeit des Bezirks für die „Hilfen aus einer Hand“ sind die Anforderungen in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Die Umsetzung ist noch nicht abgeschlossen. Für die Antragsteller*innen ist ein reibungsloser Ablauf wichtig, daran arbeitet die Verwaltung in einem Optimierungsprozess mit dem Ziel, einerseits umfassende Teilhabe sicher zu stellen und andererseits ein „Bürokratiemonster“ zu vermeiden. Wir wünschen uns, dass das gelingt!

Die ambulante Versorgung liegt uns besonders am Herzen. Dazu gehört als elementarer Bestandteil die Förderung von Beratungsstellen und Anlaufpunkten. Sehr erfreulich ist es, dass in diesem Jahr ein neues Verfahren beschlossen wurde, um die Förderung der psychosozialen Versorgung zielgerichteter zu steuern als bisher. In Zukunft werden belastbare Kennzahlen und ein kontinuierliches Monitoring die Grundlage für die Finanzierungsentscheidung bilden.

Doch bis dieses Verfahren Aussagen liefert, wird noch etwas Zeit vergehen, daher stellt die Fraktion der Grünen auch dieses Jahr einen Antrag zum Ausbau der Förderung ambulanter Maßnahmen und Dienste in einer Höhe von 400.000 €. Damit kann zumindest ein Teil der dringend benötigten Angebote umgesetzt werden.

Das ist wichtig, denn die eingangs ausgeführten Stapelkrisen haben Auswirkungen auf die Menschen:
Corona hat gerade bei Kindern und Jugendlichen Ängste und Sorgen hervorgerufen, die sich äußern in Veränderungen im Essverhalten und psychischen Auffälligkeiten. Das Hilfesystem stößt an seine Grenzen, was an den zu langen Wartelisten für ambulante und stationäre Angebote zu sehen ist.

Familien fürchten die unkalkulierbaren Energie- und Lebenshaltungskosten, dazu kommt häufig noch die Sorge um den Arbeitsplatz oder eine schwierige Wohnsituation, auch dadurch nehmen Ängste und Depressionen zu. 

Zugenommen hat auch die Gewalt in den Familien: jeden dritten Tag stirbt in Deutschland eine Frau gewaltsam.

Wir haben hier einen Versorgungsauftrag. Investitionen in die Zukunft der Bezirkskliniken sind ohne Alternative. Es ist unabdingbar, ein breit gefächertes Versorgungsangebot für die Menschen in Mittelfranken bereit zu stellen. Dazu brauchen wir ausreichend und qualifiziertes Personal genauso wie funktionierende zukunftsfähige – und auch klimafeste Gebäude.

Wir haben uns dieses Jahr intensiv mit der Zukunft der Bezirkskliniken beschäftigt, zwei Tage Klausur haben Einblicke gegeben und Fragen aufgeworfen. Hängen geblieben ist unter anderem, welch enorme Auswirkungen die nicht ausreichenden staatlichen Investitionen in die Klinikgebäude haben. Bei einem Förderbedarf von jährlich 6-7% der Bausumme eines Hauses, werden aktuell nur etwa die Hälfte dieser erforderlichen Mittel durch den Freistaat bereit gestellt. Gleichzeitig wird auf Bundesebene zwar die Gesamtzahl der Kliniken als zu hoch bemängelt, ein Konzept zur Klinikentwicklung fehlt jedoch. Dies führt zu der unguten Situation, dass die unzureichenden Gelder ineffektiv verteilt werden. Das können wir auf der kommunalen Ebene nur immer wieder bemängeln, Abhilfe schaffen können hier nur Bund und Land. In der Zwischenzeit bleibt uns als Bezirk nichts anderes übrig als mit Zuschüssen die Defizite der Kliniken auszugleichen. Nach acht Jahren, in denen das KU kein Geld vom Bezirk benötigt hat, werden wir dieses und nächstes Jahr Geld für den Defizitausgleich bereitstellen. Da insbesondere der Investitionspfad für die Generalsanierung des Klinikums am Europakanal in der rechtsaufsichtlichen Würdigung besonders kritisch betrachtet wurde, sollten wir in der Forderung nach einer auskömmlichen Finanzierung der Krankenhäuser nicht nachlassen. Dies liegt im gemeinsamen Interesse von Bezirk und Umlagezahlern.

Gefreut hat uns die umgehende Reaktion des Vorstands des KU auf den letztjährigen Beschluss, dass der Bezirk Mittelfranken bis 2040 mit seinen Liegenschaften und bezirkseigenen Einrichtungen klimaneutral sein will und die hierzu erforderlichen Maßnahmen auf den Weg bringt. Dazu wurde ein Gutachten beauftragt, das Stand und Erfordernisse zur Umsetzung dieses Ziels für das KU aufzeigen soll.

Im vermutlich größten Bohei des Jahres ging es um die Kündigung des Hackschnitzelkraft-werks im Klinikum am Europakanal. Dies macht deutlich, dass ein Thema, das außerhalb des grünen und Klimaschützerkosmos vor einigen Jahren kein großes Interesse gefunden hätte, nun in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.

Die aktuelle Energieknappheit hat uns die fatale Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen mit größter Deutlichkeit vor Augen geführt. Die Versäumnisse der letzten Jahrzehnte lassen sich nicht im Handumdrehen wieder gut machen. Der schleppende Ausbau der erneuerbaren Energien und nicht ausreichende Anreize zur Energieeinsparung in der Vergangenheit stellen uns aktuell vor große Herausforderungen. Positiv ist, dass diese Krise ein klares Alarmsignal ist und auch diejenigen erreicht, die bislang Ökonomie vor Klimaschutz gestellt haben.

Im Bezirk sind wir durch die gefassten Beschlüsse ordentlich aufgestellt. Der Klimamanager hat einen ersten Bericht vorgelegt, der bereits wesentliche Stellhebel zur Reduktion der Treibhausgas-Emissionen bei den bezirkseigenen Einrichtungen aufzeigt. Bei der Planung und Priorisierung von Bauvorhaben werden wir die Umsetzung entsprechender Maßnahmen kontinuierlich einfordern.

Womit wir beim Investitionsprogramm Bau angekommen wären:
Dieses umfasst für das kommende Jahr gut 19 Mio. €. Neben wichtigen Maßnahmen der Landwirtschaftlichen Lehranstalten, am bbw (Berufsbildungswerk) und im Fränkischen Freilandmuseum sind auch wieder Planungsmittel für das Zentrum für Hörgeschädigte vorgesehen. Wir haben im laufenden Jahr durch die Beschlüsse zum Verbleib am Standort und zum inklusiven pädagogischen Konzept als Bezirk die Voraussetzungen geschaffen, dass in 2023 die Planungen konkretisiert und das Bauprogramm endgültig abgestimmt werden können. Aufgrund der räumlichen Enge am Standort und der engen Verflechtungen der einzelnen Bereiche untereinander, die Teilauslagerungen kaum möglich machen, ist die Konzeptionierung des Bauablaufs eine echte Herausforderung. Seit die Randbedingungen für ein Interim durch die Stadt Nürnberg überprüft wurden, sind die Fragezeichen dazu nur immer größer geworden. Wir Grüne hoffen sehr, dass der Knoten in 2023 eine Auflösung findet, Stadt und Bezirk enger und abgestimmt zusammenarbeiten und damit das schwierige Projekt über die erste große Hürde zu heben vermögen.

Freude machen dagegen die Maßnahmen im Fränkischen Freilandmuseum. Die Einweihung der Synagoge von Allersheim wird sicherlich ein Höhepunkt des nächsten Jahres, so wie es dieses Jahr die Einweihung des Badhauses war.

Für den neuen Bauhof des Freilandmuseums wurde eine hervorragende Konzeption entwickelt, die inhaltlich und räumlich bestens auf die Erfordernisse des Betriebs und der Besucher*innen abgestimmt sein wird. Ein gutes Arbeitsumfeld für alle beim Bezirk Beschäftigten zu schaffen ist uns sehr wichtig und in Zeiten zunehmender Personalknappheit von großer Bedeutung.

Dies gilt nicht nur für die physische Ausstattung des Arbeitsplatzes. Auch die Frage, wie und wo gearbeitet werden kann, spielt eine nicht unerhebliche Rolle.

Der wirklich beispiellose Schub, den die Coronakrise im Hinblick auf die Akzeptanz des digitalen Arbeitens ausgelöst hat, konnte in 2022 durch die neue Dienstvereinbarung zum Homeoffice verstetigt werden. Dank an Personalrat und Personalreferat für die fruchtbare Auseinandersetzung und das Durchhalten bis zum Abschluss!

Weitere IT-Themen sind der Bau eines neuen Rechenzentrums, der in 2023 Fahrt aufnehmen wird und die Entscheidung für eine neue Fachsoftware, auf die sich die bayerischen Bezirke gemeinsam geeinigt haben.

Damit auch der Bezirkstag digital arbeiten kann, ist uns die Aufrüstung des Sitzungssaals für echte Hybridsitzungen wichtig. Für die Umsetzung dieser und weiterer Maßnahmen sind zusätzliche Stellen erforderlich, die wir gerne bereit stellen.

Denn bis wir wirklich digital sind, müssen noch viele Schritte unternommen werden und weiterhin gilt: einfach mal ausprobieren!

An unserer Initiative zum Gleichstellungs- und Vielfaltsaktionsplan halten wir fest. Da dieses Jahr kein Projekt zustande kam, schlagen wir vor, die Mittel zu übertragen und nächstes Jahr eine eigene Haushaltsstelle für das Vorhaben zu schaffen.

Dass Verwaltung nicht grundsätzlich mit behäbiger Bürokratie gleichgesetzt werden kann, hat sie bei der Bewältigung der vorliegenden Krisen immer wieder bewiesen: Es wurden Maßnahmen ergriffen zur Unterstützung der Leistungserbringer, um Ausfälle zu kompensieren, wirtschaftliche Schieflagen aufzufangen und damit die Versorgung der leistungsberechtigten Menschen sicherzustellen.

Die Verwaltung zeigte sich auch bei den Entgeltverhandlungen mit den Trägern der Behindertenhilfe im Frühjahr umsichtig. Das Problem mit den Gaslieferungen aus Russland zeichnete sich bereits ab, die Behindertenhilfe war jedoch nicht unmittelbar Gegenstand von Rettungsmaßnahmen. Zunächst wurde ein Aufschlag bei den Energiekosten zugesagt. Wenn sich finanzielle Schieflagen abzeichnen, hat der Bezirk in Aussicht gestellt, den Trägern beizuspringen. Dafür haben die Verbände in der letzten Sozialausschusssitzung Dank geäußert, dem wir uns gerne anschließen.

2022 war auch das Jahr der Rückkehr der, nennen wir es „Events“. Die Aufhebung der Corona-Restriktionen erlaubte es, wieder Reisen zu planen und die Partnerschaften des Bezirks zu pflegen.

Nach der langen Unterbrechung des Reisens war heuer gut ein Drittel der Mitglieder des Bezirkstags entschlossen, die regelmäßigen Treffen mit unserer Partnerregion Nouvelle-Aquitaine im Juni wieder aufzunehmen. Jedoch schlug hier der Personalmangel zu. Die Abfertigung am Flughafen war unterbesetzt, der Flug nach Bordeaux wurde kurzfristig gestrichen.

Das hielt uns nicht auf. Umgehend wurden Kleinbusse organisiert, einige Bezirksräte erklärten sich bereit zum Fahrdienst und der Rest hatte den Wagemut und die Entschlossenheit sich dem Abenteuer einer 14-stündigen Fahrt im Kleinbus zu unterziehen. Auf diese Weise konnte der Austausch stattfinden und mit 2-jähriger Verzögerung die Partnerschaft mit der bedeutenden Region am Atlantik ganz offiziell bestätigt werden. Im Gegenzug bekamen wir Besuch Anfang November aus Oradour-sur-Glane und Ende November durch eine Delegation aus dem Département der Corrèze. Heute freuen wir uns mit der tschechischen Region Südmähren (Jihomoravský kraj) eine Vereinbarung über Zusammenarbeit und Partnerschaft zu beschließen.

Da ein Ende des Krieges in der Ukraine derzeit leider nicht absehbar ist, halten wir es für umso wichtiger, dass Europa einen gemeinsamen, geeinten Weg beschreitet um der Radikalisierung, dem Abdriften einzelner Staaten und der Missachtung von Menschenrechten etwas entgegenzusetzen. Gelebte Partnerschaften ermöglichen es, auf kommunaler Ebene Verbindungen zu schaffen und Verantwortung für ein respektvolles Miteinander zu übernehmen. Die Erhöhung der Mittel für den Austausch ist sinnvoll angelegtes Geld.

Nun noch in aller Kürze zu einigen Punkten im Haushalt:
Unser Ziel war es dieses Jahr angesichts der dargestellten Vielzahl an Herausforderungen uns mit eigenen Anträgen zurückzuhalten und uns damit um die Silbermedaille des Kämmerers für Haushaltsdisziplin zu bewerben. Vermutlich wird das nicht gelingen. Neben den bereits besprochenen Anträgen unterstützen wir das Wiederbefüllen des Fördertopfs für die Fränkischen Seenzweckverbände um 100.000 € auf dann wieder 300.000 €. Angesichts der eindringlich formulierten Wünsche der Umlagezahler beim Herbstfinanzgespräch, sind wir der Ansicht, dass unter den diesjährigen Randbedingungen eine Reduzierung des Umlagesatzes auf 23,4% angemessen und vertretbar ist. In der laufenden Amtsperiode ist es gelungen, nach einer Umlagesenkung im ersten Jahr diese über die Folgejahre konstant zu halten und sie nun abschließend nochmals geringfügig zu senken. Das spricht für die Haushaltsdisziplin und umsichtiges Wirtschaften des aktuellen Bezirkstags und aller Beteiligten in Verwaltung und Einrichtungen.

Auch im Namen meiner Fraktionskolleg*innen danke ich allen Mitarbeitenden in der Verwaltung und den Einrichtungen für Ihr Engagement für den Bezirk. Danken wollen wir auch Frau Regierungspräsidentin Dr. Engelhardt-Blum, wir freuen uns, dass Sie wie ihr Vorgänger lebhaftes Interesse an unserer Arbeit hier zeigen. Besten Dank an die Direktorin für das große Interesse und die niedrigschwellige Kommunikation bei allen anstehenden Themen.

Dank auch an Herrn Körner, der unsere Bezirkstagssitzungen nun im dritten Jahr als Hausherr hervorragend organisiert und ermöglicht. Herausheben möchte ich heute auch die Mitarbeiter*innen der Kämmerei, die als neues Team einen großartigen Start hingelegt haben. Das merkt man daran, dass man eigentlich nichts merkt.

Dank der Presse für das Sichtbarmachen unserer Arbeit.

Bei den Kolleginnen und Kollegen des Bezirkstags bedanken wir uns für die ganz überwiegend konstruktiven Debatten und die Zusammenarbeit in der Gestaltung einer widerstandsfähigen, zukunftsgerichteten Politik für unseren Bezirk und alle Menschen die hier zuhause sind. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen, besinnliche Festtage, viel Gesundheit und einen guten Start ins neue Jahr 2023, in dem wir uns endlich wieder auf einen phantastischen fränkischen Sommer freuen!

Christa Heckel
Co-Fraktionsvorsitzende, Bündnis 90/DIE GRÜNEN

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