Haushaltsrede 2017 (Daniel Arnold)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Präsidenten, sehr geehrte Gäste,

„Alle Jahre wieder…“. So beginnt ein sehr bekanntes Weihnachtslied. Dieses Lied spricht von der Hoffnung, dass in jedes Haus Segen einziehen möge und ein Leitstern uns beständig den Weg zeige. Wir alle wissen, dass von frommen Wünschen allein nichts kommt. Ein in Franken weniger bekanntes Kinderlied aus den 80ern, das mich geprägt hat, bringt es in seiner Schlussstrophe auf den Punkt: „Dauernd muss man ihn vertreten, der scheint sich auszuruh’n? Man muss selbst nach Wegen suchen, selber etwas tun.“

Genau deswegen sind wir heute hier, um mit dem Bezirkshaushalt 2017 nicht nur verwaltungsmäßig einen Weg, sondern im politischen Prozess den besten Weg für das Jahr 2017 zu finden und darüber hinaus mit den mittelfristigen Planungen im Bezirkshaushalt 2017 die richtigen Weichen für die Zukunft zu stellen. Oft sind dabei eben gerade nicht die ausgetretenen Pfade die besten, sondern neue Wege, die zwar überraschende Wendungen bergen können, aber dafür keine ausgefahrenen Schlammlöcher.

Vieles, so auch Umweltschutz und Nachhaltigkeit, beginnt mit den kleinen Dingen wie Verbrauchsmaterial und hört bei den großen Haushaltsposten wie Bauen noch lange nicht auf. Als ein exemplarisches Beispiel für Weiteres kann unser grüner Antrag zur Papiereinsparung einen bescheidenen Beitrag zur Kosten- und Ressourcenschonung leisten.

Beim großen Thema Bauen stehen der Bezirkstag und seine Ausschüsse sehr oft vor dem

Dilemma, dass eine Weichenstellung politisch zu entscheiden ist, die daraus entstehenden Folgekosten aber noch nicht hinreichend bestimmt wurden. Die Folge: aus dem Ruder laufende Kosten oder zwecks Kostenrahmeneinhaltung im Hauruckverfahren vorgenommene Planänderungen. Ein Beispiel, es gäbe noch andere: Das Fachzentrum für Energie und Landtechnik in Triesdorf musste wegen massiver Kostensteigerungen bereits zweimal grundlegend umgeplant werden, um den Kostenrahmen doch noch zu halten. So kann man nicht vernünftig entscheiden.

Vieles ist offensichtlich, bei anderen Dingen wissen wir aber noch nicht einmal, dass wir sie nicht wissen. Noch fataler in der politischen Entscheidung sind Dinge, von denen man glaubt, sie zu wissen, die aber falsch sind. Wir brauchen ausreichende Informationen, auf deren Grundlage wir entscheiden können. Gleichzeitig müssen die Grenzen der Aussagekraft dieser Informationen klar benannt werden, sonst wird man zahlengläubig und trifft Entscheidungen in falscher Gewissheit. Die Erfahrung aus dem Liegenschaftsausschuss zeigt: Wir sollten uns über alle Kosten und Risiken eines Bauvorhabens klar sein, bevor wir anfangen zu buddeln. Darum ist unser grüner Antrag „Frühzeitige Kostenschätzung durch Angabe eines Kostenkorridors ermöglichen“ ein einfaches, aber wirksames haushalterisches und bauplanerisches Steuerungsinstrument für das Bauinvestitionsprogramm 2016 – 2020: Momentaner Stand etwa 405 Millionen Euro, also jährlich 100 Millionen Euro. Das ist ein dicker Brocken und eine der wesentlichen Stellschrauben für die Bezirksumlage.

Ebenso reicht es nicht aus, überhaupt ein Controlling zu haben. Controlling muss klare, überprüfbare Ziele haben und soll nicht nur operativ die Einhaltung des Haushalts gewährleisten. Mit Hilfe der Analysen des Controllings können wir strategisch steuern, um die definierten Ziele der einzelnen Projekte und Maßnahmen im Sinne der Mitarbeiter und Bürger*innen besser zu erreichen. Nicht zuletzt beim Stellenplan können wir so sinnvolle zusätzliche Stellenbedarfe identifizieren. Bestes Beispiel für zu geringe Gewichtung des Controllings war die schon etwas länger zurückliegende Schaffung von fünf neuen Stellen für die vollständige Prüfung der Behindertenfahrtkostenabrechnungen statt weiterhin stichprobenweise. Die Mehreinnahmen durch nun zusätzlich aufgedeckte Fehlabrechnungen werden durch die Personalkosten mehr als aufgefressen. Solche Tätigkeiten tragen nicht unbedingt zur Mitarbeitermotivation bei. Wir alle kennen die Fälle aus dem praktischen Lebensalltag von behinderten Menschen, deren Mobilitätsbedürfnisse nicht immer mit den Richtlinien für die Behindertenfahrdienste kompatibel sind. Wir Grüne fordern eine Berichterstattung über den aktuellen Stand des Controllings im Bezirk Mittelfranken, damit in allen Bereichen, sei es Bauen oder Soziales, die nächsten sinnvollen Schritte identifiziert werden können.

Wir alle wissen, wie wichtig die Jugendförderung ist. Hier hat der Bezirk die Mittel und die Zuständigkeit, mit der Förderung barrierenüberwindender Bildung zu Toleranz und gegenseitiger Wertschätzung in einer bunten, offenen Gesellschaft beizutragen. Partizipation und gesellschaftliche Verantwortung stärken die Persönlichkeitsbildung und beugen Radikalisierung vor. Dazu gehört ganz wesentlich die politische Bildung. Sie macht Jugendliche fit für die demokratische Gesellschaft:

  • DoKuPäd erreicht mit seinem immer mehr nachgefragten, differenzierten pädagogischen Programm rund um das „Dokumentationszentrum

Reichsparteitagsgelände“ Jugendliche aus ganz Mittelfranken und darüber hinaus.

  • Der Bezirksjugendring vernetzt die Jugendarbeit in Mittelfranken und übernimmt mit eigenen Projekten wichtige, wegweisende Funktionen.
  • Die Medienfachberatung ist ein wichtiger Multiplikator für den bewussten Umgang mit sozialen Netzwerken, Medien und Informationen.

Für diese unverzichtbare Arbeit wollen auch wir Grüne mit unserem Antrag zur Unterstützung der Jugendarbeit die dringend benötigten finanziellen Mittel bereitstellen.

In der Kultur sind wir Grüne dafür bekannt, ausgetretene Pfade zu verlassen und  mutig neue, frische Wege zu gehen. So halten wir Grüne unsere Idee, die Konzertreihe Fränkischer Sommer mit mehr Nachwuchsmusikern zu bestreiten, nach wie vor für richtig. Wir Grüne sind nicht überzeugt, dass der Fränkische Sommer weiterhin auf dem richtigen Weg ist. Das illustriert auch ein Aufmacherbild des Fränkischen Sommers 2017, das aus der Reihe der ansonsten immer originellen Posterfotos unangenehm herausfällt und das neulich in den Nürnberger Nachrichten abgedruckt war: Auf dem Bild ist ein hochmotorisiertes Auto zu sehen, auf dessen Heck breitbeinig eine Dame mit ausgezogenen Stöckelschuhen, zwischen ihren Schenkeln ein Kontrabass. Schnelle Autos, schöne Frauen als Statussymbol und Hochkultur als schmückendes Beiwerk. Wer diese Bildbotschaft abstreitet, liest Herrenmagazine auch wegen der

Enthüllungsreportagen. Sexismus ist definitiv nicht der „Klassiker“, den wir 2017 beim Fränkischen Sommer genießen möchten. Wenn  der „Mobilitätspartner“ des Fränkischen Sommers Daimler-Benz ist und nicht ÖPNV oder Fahrrad, muss die Kunst wohl solchen chauvinistischen Stereotypen Zugeständnisse machen.

Ebenso hat man sich bei der Theaterförderung durch den Bezirk Mittelfranken den wesentlichen Herausforderungen nicht gestellt. Alle vom Bezirk geförderten Theater in Mittelfranken hatten 2014 einen umfangreichen Fragebogen des Bezirks ausgefüllt, der bis heute nie komplett ausgewertet wurde. Folglich war auch die Neufassung der Theaterförderrichtlinien wenig vom Gedanken der Sicherstellung einer fairen und verlässlichen finanziellen Förderung der vielfältigen Theaterlandschaft geprägt und irrlichterte über ein Jahr durch die Gremien des Bezirkstags. Schlussendlich wurden sie dann ohne die vielen – auch grünen – Anregungen aus der Debatte mit minimalen Änderungen zu vorher beschlossen.

Die Stiftungseinnahmen werden leider auch in den nächsten Jahren stetig weiter sinken. Die letztjährige Verlagerung des Denkmalschutzes in den allgemeinen Haushalt hat uns nur eine Atempause von einem Jahr verschafft. Wir Grüne beantragen deshalb, die Jugendkulturarbeit der Theater künftig aus dem allgemeinen Haushalt zu finanzieren. Nur so können wir dauerhaft finanzielle Kürzungen im Theaterbereich vermeiden. Hinzu kommt: Jugend ist eine originäre Aufgabe des Bezirks. Auch deswegen gehört Jugendkultur in den allgemeinen Haushalt.

Auch im sozialen Bereich muss klug und energisch einem „weiter so auf der schiefen Bahn“ entgegengetreten werden. Nürnberg ist trauriger Spitzenreiter in der

Bundesrepublik bei der jährlichen Zahl der Drogentoten pro 1000 Einwohner*innen. Die Szene der Alkohol- und Drogenabhängigen in Mittelfranken konzentriert sich vor allem auf Nürnberg. Der Umgang mit dem Drogenkonsum bzw. Aufenthalt von Drogenabhängigen im öffentlichen Raum stellt die Stadt Nürnberg und die Einrichtungen der Drogenhilfe vor große Probleme. Das Vertreiben der Drogensüchtigen aus dem Bahnhofsbereich führt lediglich zu einer Verlagerung in andere Innenstadtbereiche. Das ist keine Lösung. Der Verein „Hängematte“ stellt hier mit seiner Notschlafstelle und Krisenhilfe einen wichtigen sozialen Fachdienst im Versorgungsbereich für suchtkranke Menschen dar. Sie leistet damit auch einen wenig populismustauglichen, dafür aber umso wirksameren Beitrag zur öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Auch im Bezirk Mittelfranken wird die Arbeit des Vereins nicht nur finanziell unterstützt, sondern sehr geschätzt. Deswegen  erschüttert die Nachricht, dass die Hängematte bis Ende 2017 ihr Domizil verlassen muss. Bemühungen, ein neues Quartier in Bahnhofsnähe zu finden, waren bisher nicht erfolgreich. Hier bitten wir Grüne dringend den Bezirk, die Hängematte bei der Suche neuer Räumlichkeiten zu unterstützen. Die Arbeit der Hängematte ist und bleibt unverzichtbar.

So wie die Hängematte gibt es noch viele weitere Organisationen und Initiativen, die im Sozialraum Mittelfranken niederschwellige Leistungen und ambulante Hilfen bieten. Jeder Euro, der hier investiert wird, verhindert später höhere Folgekosten, ganz zu schweigen von den dadurch gesparten gesellschaftlichen Problemen. Denn: Diese Unterstützungsleistungen tragen in vielen Fällen dazu bei, akuten oder chronischen Krankheitsverläufen vorzubeugen und die Betroffenen für ein selbstbestimmtes Leben zu stärken. Der auf unsere grüne Initiative zurückgehende Fachvortrag von Professor Hinte im Sozialausschuss brachte es auf den Punkt: Alle Hilfe sollte Menschen ermutigen und nicht entmündigen. Das ist schon heute Leitlinie der ambulanten Hilfen.

Die ambulanten Hilfen sind ein Kernbereich der politischen Gestaltung des Bezirks. Ohne deutliche Aufstockung der Mittel kann keines der gesellschaftlich dringend notwendigen Projekte realisiert werden. Das würde uns in den kommenden Jahren andernfalls teuer zu stehen kommen. Wir Grüne können nur dann dem Haushalt zustimmen, wenn eine erhebliche Steigerung der Finanzmittel auf der Haushaltstelle 4701 beschlossen wird.

Sehr geehrter Bezirkstagspräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Grüne sind überzeugt, dass es Mittel und Wege gibt, all dies und auch die vom Kämmerer bezifferte Deckungslücke von rund 10 Millionen Euro umlageneutral zu finanzieren. So gibt es einen erheblichen „Bauinvestitionsstau“. Das führt dazu, dass im Haushalt für beschlossene Baumaßnahmen schon via Umlage eingenommene Gelder in Millionenhöhe geparkt sind. Nicht ohne Grund fordert der Rechnungsprüfungsausschuss als häufigsten Beschluss zu einzelnen Haushaltsstellen vergangener Haushalte, Mittel künftig auch zeitlich realistischer zu veranschlagen. Wir Grüne begrüßen, dass die Verwaltung ab dem Haushalt 2017 mit den sogenannten Verpflichtungsermächtigungen für Bauvorhaben ein erstes Instrument dazu einführt. Das reicht aber nicht aus. Wir erwarten deshalb hier von der Verwaltung einen Vorschlag, um die noch bestehende Deckungslücke zu schließen. Mögliche Instrumente wären:

  • weitere Streckung von Baumaßnahmen, die ohnehin nicht schnell genug gebaut werden können,
  • weitere Absenkung der Rücklage
  • sowie als Ultima Ratio eine teilweise Kreditfinanzierung von Baumaßnahmen.

Ich danke Ihnen für das geduldige und aufmerksame Zuhören. Ich wünsche uns allen erholsame Feiertage. Meine grünen Kolleg*innen Lydia Bauer-Hechler, Klaus Hiemeyer und ich, wir freuen uns auch im nächsten Jahr mit Ihnen gemeinsam leidenschaftlich für die Sache zu streiten.

Daniel Arnold