(Aufgrund der Pandemie-Situation wurde die Rede nicht in der Haushaltssitzung gehalten, sondern nur als Text veröffentlicht)
Sehr geehrter Herr Bezirkstagspräsident Kroder,
sehr geehrter Herr Regierungspräsident Dr. Bauer,
sehr geehrte Frau Verwaltungsdirektorin Eppe-Sturm,
sehr geehrter Herr Dr. Keilen, Vorstand der Bezirkskliniken Mittelfranken,
sehr geehrter Herr Rauh, Referentinnen und Referenten der Bezirksverwaltung,
sehr geehrte Frau Graf, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
interessierte Gäste und Medien, die den Weg zu uns gefunden haben,
liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Bezirkstag,
Die heutige Haushaltssitzung steht unter einem besonderen Stern. Niemand hätte bei der Haushaltssitzung vor einem Jahr darauf gewettet, dass wir heute den Haushalt 2021 des Bezirks Mittelfranken unter besonderen Hygienemaßnahmen verabschieden müssen. Wir haben gemeinsam darum gerungen, dass das Haushaltsjahr 2021 – gemessen an den Umständen – für unsere Leistungsberechtigten und Einrichtungen unter einem möglichst guten Stern stehen wird.
Wir GRÜNE freuen uns, dass wir uns – in einem Umfang wie noch nie – fraktionsübergreifend im Vorfeld auf wichtige Eckpunkte für den Haushalt 2021 verständigen konnten und hoffen, dass wir mit dieser Basis auch gemeinsam aus dieser Sitzung in das Jahr 2021 gehen können.
Digitalisierung
Krisenzeiten können auch Zeiten sein, in denen zuvor so nicht für möglich gehaltene Dinge plötzlich möglich sind. Zeiten, in denen Menschen zeigen können, was sie draufhaben, um diese Krise zu meistern. Unser IT-Referat hat in diesem Jahr rasch und unbürokratisch viele neue Tele- und Homeoffice-Arbeitsplätze für die Bezirksmitarbeiter*innen geschaffen und so wesentlich dazu beigetragen, dass die Arbeit im Bezirk weitergehen konnte. Auch Beschaffungsprobleme für Laptops und der Wechsel an der Spitze des IT-Referats haben niemand davon abgehalten, schnell praktische Lösungen zu finden. Das ist Digitalisierung aus der Praxis für die Praxis, die uns resilienter macht und die sogar Spaß machen kann, weil ihr Erfolg direkt spürbar ist. Wir GRÜNE hoffen, dass die daraus gewonnenen Erfahrungen künftig vermehrt in moderne Wege der Personalführung in einem dezentralen Bezirk und die bezirklichen Digitalisierungsprojekte einfließen. Dadurch können Mammutprojekte wie die e-Akte in überschaubare Teile runtergebrochen werden, die dann auch praktisch umsetzbar sind. Dank der direkten Rückmeldungen aus der Praxis kann dann auch agil nachjustiert werden.
Bildung und Kultur
Mit den ersten einschneidenden Kontaktbeschränkungen im März kam die Schließung zahlreicher Einrichtungen in der Zuständigkeit des Bezirks, wie Schulen, Kitas, Tagesstätten und Werkstätten. Die schnelle Reaktion des Bezirks, der zunächst die Weiterzahlung aller Leistungen im Frühjahr zusicherte, wurde allgemein als große Entlastung gesehen. So konnten sich Leistungserbringer und Menschen, die auf deren Leistungen angewiesen sind, auf die Bewältigung der akuten Probleme konzentrieren. Im Sommer hatten auch bezirkliche Schulen und Tagesstätten unter hohem persönlichen Einsatz den Betrieb wieder aufgenommen. Der schmale Grat zwischen sozialer Gemeinschaft und Teilhabe an Bildung auf der einen und dem Gesundheits- und Infektionsschutz auf der anderen Seite hat allen Beteiligten viel abverlangt, wofür wir zurzeit „nur“ dankbar sein können. Freilich entspringt aus dem Dank auch der Auftrag, die sozialen und pflegenden Berufe aufzuwerten und für gute Arbeitsbedingungen zu sorgen!
Teilhabe an Kultur und Bildung für alle Menschen in Mittelfranken ist eine weitere wesentliche Aufgabe des Bezirks. Geschlossene Häuser, abgesagte Kurse und zusätzliche Investitionen für Hygienemaßnahmen sind eine große finanzielle Herausforderung. Glücklicherweise waren die Verdienstausfälle der freien Mitarbeiter*innen und Honorarkräfte bei den Bezirkseinrichtungen gering, wie wir auf eine Anfrage an die Verwaltung erfahren konnten. Sehr viele Angebote konnten aus der Ferne digital durchgeführt werden oder später nachgeholt werden. Bei der freien Kulturszene ist die Situation deutlich schwieriger: Die Finanzierung der Institutionen und die Einkommen der Mitarbeiter*innen sind eingebrochen. Der Bezirk Mittelfranken hat seine Zuschüsse wie geplant ausgezahlt, doch um die kulturelle Infrastruktur zu erhalten braucht es in den nächsten Monaten und Jahren zusätzliche Unterstützung und kreative Ideen. Ein erster Schritt wurde auf Anregung des Popkulturbeauftragen des Bezirks, Andreas Jäger, unternommen. Mit der „Starthilfe Popmusik“ können Mikroförderungen für Künstler*innen und Veranstalter*innen vergeben werden, damit Projekte nicht an fehlenden Mitteln für Fahrtkosten oder Raummiete scheitern.
Auch der Bezirksjugendring reagiert mit Kreativität auf die Situation. Rund um das Projekt „Mischen“ wurden spannende Workshop-Formate entwickelt. Öffentliche Veranstaltungen mussten zwar abgesagt werden, dennoch konnte der BzJR – wenn auch sehr eingeschränkt – in Kontakt bleiben. Einige Angebote und Versammlungen fanden digital statt. Für den Haushalt unterstützen wir GRÜNEN den Antrag des Bezirksjugendrings, das Kinder- und Jugendprogramm fortzuschreiben und die Stellenausstattung zu komplettieren.
Fahrdienst für Menschen mit Behinderung
Teilhabe von Menschen mit Behinderungen und deren Lebensqualität wird wesentlich durch Mobilität bestimmt. In Zeiten von Corona haben die allgemeinen Kontaktbeschränkungen diejenigen besonders hart getroffen, die in ihrer Bewegungsfreiheit sowieso schon eingeschränkt sind. So konnten auch die Fahrdienste nicht oder nur teilweise genutzt werden. Dabei war und ist es doch so wichtig, dass die Nutzer*innen genauso wie wir alle Besorgungen erledigen, Menschen treffen oder die Natur genießen können, wenn ihnen die Decke auf den Kopf fällt. Gerade in dieser Zeit wäre es fatal, beim Behindertenfahrdienst eine Sparnovelle zu beschließen. Darum begrüßen wir GRÜNEN sehr, dass wir uns in einer interfraktionellen Einigung vor der Haushaltssitzung darauf verständigt haben, die Richtlinien für den Behindertenfahrdienst für 2021 unverändert zu lassen. Im zuständigen Sozialausschuss werden wir nächstes Jahr mit den Betroffenen gemeinsam diese Richtlinien beraten und diese überarbeiten – ausgehend von noch zu beschaffenden statistischen Zahlen.
Sozialpsychatrische Dienste und Beratungsstellen
Auch die ambulanten Dienste mussten mit der Pandemie neue Konzepte entwickeln. Sozialpsychiatrische Versorgung ist vor allem Beziehungsarbeit. Suchtkranke und psychisch kranke Menschen leben in einem sehr instabilen seelischen Gleichgewicht. Die Beratungsstellen haben in dieser Zeit enorm viel geleistet. Eine Suchtberatungsstelle berichtet beispielsweise von über 20% mehr Kontakten zu hilfesuchenden Betroffenen und Angehörigen. Telefonische Beratung wurde ein wichtiges Instrument. Mit der Weiterentwicklung des Krisendienstes mit den flächendeckenden aufsuchenden Hilfen durch die SpDis bleiben wir in Mittelfranken weiterhin (zusammen mit München) Vorreiter in der Umsetzung des Bay. PsychKHG und seinem Auftrag zur Krisenversorgung. Die konsequente Umsetzung der lange verhandelten Anpassungen der Richtlinien für SpDi und PSB läuft ebenfalls bei der HHSt. 4701 auf. Damit sind aber noch keinerlei Anträge von Sozialpsychiatrischen Diensten, Suchtberatungsstellen, weiteren sozialen Fachdiensten sowie Zuverdienst berücksichtigt. Daher müssen dringend Mittel für den Ausbau zur Verfügung gestellt werden. Darum beantragen wir GRÜNEN hierfür 400‘000 Euro zusätzlich auf der HHSt. 4701. Darüber hinaus folgen wir GRÜNEN der Empfehlung der PSAG für Lilith e.V. den dringenden Mittelbedarf für eine halbe Fachkraftstelle zur Beratung von schwangeren Frauen mit Suchtproblemen bereits ab Januar 2021 zur Verfügung zu stellen.
Klimaschutz
Es ist noch keinen Monat her, dass der Landtag ein von Umweltminister Thorsten Glauber vorgelegtes bayerischen Klimaschutzgesetz verabschiedet hat, das es geschafft hat, auch bescheidene Erwartungen noch zu enttäuschen. Daher freut es uns GRÜNE, dass sich immerhin die CSU im Bezirk aufrafft und die Stelle eines/r Klimaschutzmanager*in beantragt. Wir unterstützen diesen Vorstoß gerne, denn wir stehen vor der Herausforderung den Ausstoß klimaschädlicher Gase in den nächsten 10 Jahren zu halbieren. Das bedeutet auch beim Bezirk in allen Bereichen effektive Maßnahmen umzusetzen. Seit 1999 ist durch Anstoß von uns GRÜNEN mit einer Dienstanweisung des Bezirkstagspräsidenten Lohwasser vom 19. April 1999 ein*e Umweltbeauftragte*r mit weitreichenden Kompetenzen beim Bezirk formal verankert. Die Stelle ist seit etwa einem Jahr neu besetzt. Angesichts der Bedeutung des Themas und der Fülle der anzugehenden Aufgaben halten wir es für richtig, diese auf zwei Schultern zu verteilen. Ebenso unterstützen wir den Antrag der FÖ für mehr klimafreundliche Sanierungen bezirklicher Infrastruktur. Wir GRÜNEN werden ein Auge darauf haben, dass der Dornröschenschlaf nun vorbei ist und in der Aufgabenwahrnehmung eine Kontinuität und Wirkung erreicht wird, die wir in den letzten 20 Jahren so nicht wahrgenommen haben.
In den nächsten Jahren erwarten uns im mittelfristigen Investitionsplan nicht nur am ZfH, sondern auch am BBW in der Pommernstraße weitere großformatige Bauaufgaben. Was wir hier anlegen, wird unsere Klimabilanz für Jahrzehnte mitprägen. Wir GRÜNE werden uns dafür einsetzen die bezirklichen Bauaufgaben auf ihren Raumbedarf auch in begonnenen Projekten zu prüfen, gegebenenfalls anzupassen und unter die Prämisse ambitionierter CO2-Einsparziele und Nachhaltigkeitsparameter zu stellen.
Regionalbewegung
Wir GRÜNEN begrüßen es, dass die von der Regionalbewegung Mittelfranken bereits 2019 für den Stiftungshaushalt 2020 beantragten Mittelerhöhungen um 20‘000 Euro für das Projekt „Kantine sucht Region – Einsatz regionaler Produkte in der Betriebsgastronomie“ nun bereitgestellt werden. Leider wird das Geld als einziger von allen geeinten Anträgen mit einem Sperrvermerk versehen, vorbehaltlich der Zustimmung des zuständigen Wirtschafts- und Umweltausschuss im nächsten Jahr. Solche Projekte sind gerade jetzt unverzichtbar. Durch die Coronapandemie wird sich auch bei Kantinen und im Catering vieles verändern. Planungen müssen angepasst, Menüs umgestellt und Lieferverträge neu ausgehandelt werden. Das ist der Zeitpunkt regionale, faire und ökologische Produkte in unseren mittelfränkischen Kantinen zu etablieren. Die Regionalbewegung Mittelfranken ist bereits erfolgreicher Initiator der RegioApp, der RegioLogistik und weiterer erfolgreicher, kooperativer und offener digitaler Vertriebskonzepte, die aktuell deutschlandweit nachgefragt werden wie nie zuvor. Wenn wir der Regionalbewegung diese Mittel 2021 nicht bewilligen, werden wir den gewaltigen digitalen Transformationsprozess gerade auch im Lebensmittelbereich und besonders im Catering verschlafen, der durch Corona massiv an Fahrt aufgenommen hat. Sie müssen nur abends den Fernseher einschalten, um eine Werbung von Google zu sehen, in der sich das Unternehmen als „starker Partner“ des Inhabergeführten Einzelhandels in Corona-Zeiten feiert. Wir wollen nicht nach Corona in einer Wirtschaftsstruktur aufwachen, die zentral von einigen wenigen großen Digitalkonzernen gelenkt wird. Darum unser GRÜNER Appell: Unterstützt die Arbeit der Regionalbewegung und gebt die Mittel in der nächsten Ausschusssitzung frei!
GRÜNE Erfolge
Ein Haushalt gibt neben dem Ausblick auf künftige Projekte auch immer die Gelegenheit zum Rückblick. Wir GRÜNE freuen uns daher im Jahr 2020 hinter zwei unserer langfristigen Ziele unseres Wahlprogramms einen GRÜNEN Haken setzen zu können:
- In der heutigen Bezirkstagssitzung werden auf GRÜNEN Antrag hin die kürzlich neu beschlossenen nicht zuletzt durch unser jahrelanges Drängen mit stärkeren Nachhaltigkeitszielen versehenen Anlagerichtlinien der 115 Mio. Euro starken Mittelfrankenstiftung öffentlich gemacht. Diese Transparenz sind wir den Bürger*innen Mittelfrankens schuldig, schließlich ist es ihr Geld, das wir hier verwalten.
- Die Bezirkskliniken Mittelfranken werden ab März 2021 von einer gleichberechtigten Doppelspitze geleitet. Mit Dr. Matthias Keilen als strategischen Vorstand und Melanie Zeitler-Dauner als künftigem operativen Vorstand. Wir GRÜNE freuen uns, dass nach einem langen und langwierigen Findungsprozess ein einstimmiges Votum für Frau Zeitler-Dauner im Verwaltungsrat zustande kam. Es ist eine Strukturreform hin zu mehr „Checks and Balances“ in einem schlagkräftigen Team mit einer sinnvollen Aufgabenteilung, die wir heuer durch alle Rückschläge hindurch zu einem guten Abschluss gebracht haben.
Zum Abschluss stellen wir GRÜNE fest, dass wir – unter anderem auch wegen Corona nicht verbrauchter Mittel des Haushalts 2020 und der auch dank unseres Einsatzes auf Bezirketagsebene zumindest leicht erhöhten FAG-Mittel des Freistaats Bayern – den Hebesatz der Bezirksumlage für 2021 stabil halten können. Wir begrüßen auch die interfraktionelle Einigung im Vorfeld dazu. Wir GRÜNE können dem Haushalt mit den oben genannten Anträgen daher zustimmen.
Ausblick
Wie der Haushalt 2022 aussehen wird, kann heute noch niemand sagen, aber er wird aller Voraussicht nach schwerer aufzustellen sein als der aktuelle. Das hängt stark davon ab, was die von der bayerischen Staatsregierung anstelle des von ihr abgelehnten kommunalen Schutzschirm des Bundesfinanzministers versprochenen zusätzlichen Mittel und Entlastungen für Kommunen 2021 bringen und was nach der Abrechnung der Corona-bedingten kommunalen Aufwendungen im Jahr 2020 tatsächlich auch in Euro und Cent erstattet wird. Doch heute haben wir erst einmal auch im Sinne der Umlagezahler*innen alle Weichen für ein gutes Haushaltsjahr 2021 gestellt.
Jede Krise kennt ein danach. Niemand hat sich diese Verwerfung gewünscht, aber wir können aus ihr auch für die Zukunft lernen, sei es die Erfahrung wie weit die Umsetzung unserer digitalen Mammutprojekte nicht gediehen ist und konkrete Digitalisierungspraxis den Unterschied machte, sei es trotz schlimmer Nachrichten die gelebte Solidarität vieler Menschen oder auch die Erkenntnis, dass Tier- und Umweltschutz Menschenleben retten, weil sie neue Infektionskrankheiten effektiv verhindern.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen besinnliche Festtage, Zuversicht und Kraft. Kommen sie gesund ins neue Jahr 2021.
Daniel Arnold,
Fraktionsvorsitzender GRÜNE im Bezirkstag Mittelfranken
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