Wahlrecht


Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beantragt:

  1. Der Bezirkstag Mittelfranken spricht sich gegen die Wiedereinführung des d’Hondt’schen Auszählverfahrens für die Bezirke und für die Beibehaltung des Hare-Niemeyer-Verfahrens aus, so wie es auch bei der zeitgleich zur Bezirkswahl nach demselben Wahlverfahren stattfindenden Landtagswahl geregelt ist.
  2. Der Bezirkstag Mittelfranken fordert den Bayerischen Bezirketag auf, sich beim Bayerischen Gesetzgeber für die Beibehaltung des bisherigen Sitzzuteilungsverfahrens nach Hare-Niemeyer im Bezirkswahlgesetz einzusetzen.
  3. Der Bezirkstag reicht diesen Beschluss als Petition an den Bayerischen Landtag ein, der Empfehlung von Ministerpräsident Seehofer zu folgen und von der Änderung des Auszählverfahrens abzusehen.
  4. Der Bezirkstag Mittelfranken fordert als unmittelbar und am stärksten von einer Änderung des Auszählverfahrens betroffener Bezirk vom Bayerischen Landtag eine Anhörung zu diesem Thema im Bayerischen Landtag. Der Bayerische Landtag sollte ein Interesse daran haben, aus erster Hand Informationen der unmittelbar Betroffenen einzuholen.

Begründung:

Die CSU-Landtagsfraktion plant, das Auszählverfahren bei der Kommunal- und Bezirkswahl zu ändern. Anstelle des derzeit geltenden Hare-Niemeyer-Verfahrens strebt sie eine Rückkehr zum Sitzzuteilungsverfahren nach d’Hondt an.

Im Jahr 2010 hat der Bayerische Landtag für Wahlen auf kommunaler Ebene das Sitzzuteilungsverfahren nach d’Hondt einstimmig abgeschafft und durch das Hare-Niemeyer-Verfahren ersetzt. Ausschlaggebend dafür war, dass das Verfahren nach d’Hondt die Sitzzuteilung systematisch zugunsten großer und zu Lasten kleiner Parteien verzerrt hat. Diese Verzerrung kann größeren Parteien mehrere zusätzliche Mandate verschaffen, was einer Sitzzuteilung proportional zum Stimmenverhältnis widerspricht.

Für Landtagswahlen war das d’Hondtsche Verfahren aus diesen Gründen schon zuvor vom Bayerischen Verfassungsgericht untersagt und in der Folge durch Hare-Niemeyer ersetzt worden, bei Kommunalwahlen wurde es vom Verfassungsgericht als gerade noch verfassungsgemäß bezeichnet. Das Hare-Niemeyer-Verfahren verhält sich neutral in Bezug auf die Größe der Parteien. Es gewährleistet damit – im Gegensatz zu d’Hondt – die Einhaltung des Grundsatzes der gleichen Wahl. Deshalb gibt es keinen nachvollziehbaren Grund, Hare-Niemeyer wieder abzuschaffen und durch d’Hondt zu ersetzen.

Der aktuelle Bezirkstag von Mittelfranken wäre bei Auszählung nach d’Hondt ganz anders zusammengesetzt. Ganze vier Kolleg*innen, die sich unterschiedlichen Fraktionen und Gruppen angeschlossen haben, wären in der aktuellen Wahlperiode bei Auszählung nach d’Hondt nicht vertreten:

Auszählung nach: gesamt CSU SPD FW Grüne Linke FDP Franken Piraten ÖDP
Hare-Niemeyer 30 12 7 3 3 1 1 1 1 1
d’Hondt 26 12 7 3 3 1

Die Vielfalt der Parteien ist für die meisten Kommunen eine positive, kreative Kraft, die der Debatte und somit der Qualität der Entscheidungen in den Parlamenten zugutekommt. Die Einführung des d’Hondtschen Verfahrens stellt also auch eine unnötige Wahlrechtsänderung dar. Ministerpräsident Seehofer hat ein solches Vorgehen zu Recht als politisch verantwortungslos bezeichnet.

Selbst dann, wenn man es als Problem sehen sollte, dass beim Hare-Niemeyer-Verfahren in der sogenannten Restsitzzuteilung manchmal sehr kleine Listen und Parteien mit weit weniger als der erforderlichen Stimmenzahl für einen Sitz zum Zug kommen können, gäbe es dafür zur Lösung erprobte und weitaus weniger verzerrende Möglichkeiten als d’Hondt: So werden in anderen europäischen Ländern Restsitze nur an Listen vergeben, die mindestens einen ganzen Sitz erreicht haben. Ein weiteres, Minirestzuteilungen vermeidendes und nochmals genaueres Verfahren wird in Schweden für die Sitzzuteilung bei Kommunalwahlen angewandt: Dort wird das auch von Bundestags- und Europawahlen bekannte Sainte-Laguë-Verfahren (Divisorverfahren mit Standardrundung) mit einem – abweichend von der bundesdeutschen Verwendung – erhöhten ersten Teiler angewandt (statt 0,5 wird 0,7 verwendet; seit Kurzem 0,6).

Als unmittelbar betroffene Ebene und Experte in eigener Sache hat der Bezirk Mittelfranken, nicht nur einen moralischen Anspruch, sondern auch das Recht, sich Gehör im Bayerischen Landtag zu verschaffen. Nach Art 1 (2) des Bayerischen Petitionsgesetzes (Quelle: https://www.bayern.landtag.de/fileadmin/scripts/get_file/GO_PetGesetz_072008Anl4_BF.pdf) sind juristische Personen des öffentlichen Rechts berechtigt, Petitionen an den Bayerischen Landtag zu richten, sofern die Petition einen Gegenstand ihres sachlichen Zuständigkeitsbereichs betrifft. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall gegeben.

Antrag vom 11. Juli 2017 als PDF-Datei:
Antrag_GRÜNE_BT_2017.07.27_Wahlrecht

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