Haushaltsrede 2016 (Lydia Bauer-Hechler)

Sehr geehrter Herr Bezirkstagspräsident, sehr geehrter Herr Regierungspräsident, werte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,

die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich für Abwechslung entschieden und so übernehme ich als stellvertretende Fraktionsvorsitzende heute die Haushaltsrede. Wir beraten über einen Haushalt von über 800 Mio. Euro. Die Staatsregierung setzt auch mit ihrem Nachtragshaushalt 2016 weiter auf Abbau der Staatsschulden bis 2030 und belastet damit weiterhin die bayerischen Kommunen.

Mit der Verschiebung der Zuständigkeit für die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge kommt eine weitere Belastung hinzu.

Die Krisensituationen in vielen Ländern der Welt und die massiv steigende Anzahl von Flüchtlingen in Deutschland beschäftigen alle politischen Ebenen. Wir Grüne haben sehr großen Respekt vor den Leistungen, die von den Gemeinden und den vielen freiwilligen Helferinnen und Helfern erbracht wurden und werden. Mit der Finanzierung der Jugendhilfe für unbegleitete minderjährige bzw. junge Flüchtlinge belastet die Staatsregierung die Bezirke und damit die kommunale Familie, obwohl es eigentlich eine Aufgabe der Bundesländer ist. Ergebnis sind laufend ansteigende Mehrbelastungen des Bezirkshaushaltes, die überhaupt nicht seriös abzuschätzen sind. Das müssen wir berücksichtigen, um nicht Wasser auf die Mühlen flüchtlingsfeindlicher Gruppierungen zu geben.

Auch die Hoffnung auf Entlastung durch das Bundesteilhabegesetz weicht einer Enttäuschung. Laut Bundessozialministerium wurde deutlich, dass sich die Bundesregierung nicht weiter an den Kosten der Eingliederungshilfe beteiligen will. Ein klarer Wortbruch, nachdem der Koalitionsvertrag genau das versprochen hat. Auch die Anrechnung von Einkommen und Vermögen auf Leistungen der Eingliederungshilfe und der Mehrkostenvorbehalt sollen zum Teil bestehen bleiben. So bleibt nach einem langen, engagierten Ringen nur Teilhabe light.

Die Strukturreform des Finanzausgleichs brachte den Kommunen nicht die lange geforderte Entlastung. Zwar stieg die Umlagekraft moderat, aber die Belastung hat sich hauptsächlich zwischen den Städten und Landkreisen zu Lasten der kreisfreien Städte verschoben. Natürlich liegt es uns am Herzen, unsere Städte und Landkreise mit der Umlage möglichst wenig zu belasten. Seiner Funktion als überörtlicher Träger der Sozialhilfe muss der Bezirk aber auch gerecht werden. Den Handlungsrahmen im Sinne der Inklusion können und sollten Städte, Landkreise und der Bezirk gemeinsam abstecken,z. B. mit gemeinsamen Anstrengungen um Projekte für ambulant betreutes Wohnen oder Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen auf dem ersten Arbeitsmarkt. Mit sozialraumorientierter Zusammenarbeit können Synergieeffekte zum Wohle der Betroffenen wie auch aller kommunalen Ebenen entstehen.

Einigkeit besteht in unserem Bezirkstags-Gremium, dass wir als Sozialparlament in erster Linie Sorge tragen für die Menschen, die von Eingliederungshilfe oder Hilfe zur Pflege abhängig sind. Das stellen alle Kolleginnen und Kollegen in der Öffentlichkeit immer wieder dar. Das Wohl der uns anvertrauten Menschen hängt sehr von der Qualität der Betreuung und Leistungen ab, was sich in Mittelfranken an relativ guten Standards zeigt.

Die Anpassung der Standards in der Eingliederungshilfe an die durchschnittlichen Benchmarks aller bayerischen Bezirke, wie die CSU-Fraktion das für die heutigen Verhandlungen beantragt hat, ist ein ganz fatales Zeichen, dessen Auswirkungen die Leistungsempfängerinnen und -empfänger in Mittelfranken zu spüren bekommen würden. Generalisierte Einsparungen, nur um im Vergleich besser (billiger) dazustehen, zu Lasten der uns anvertrauten Menschen, lehnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vehement ab. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Kolleginnen und Kollegen der anderen Bezirkstage oft darum kämpfen, Standards in ihren Bezirken zu verbessern. Dabei orientieren sie sich logischerweise an den Bezirken der Ballungsräume, also auch an Mittelfranken.

Auch wir Grüne diskutieren Standards, nämlich die konsequente Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention: Die Stärkung der Inklusion, Einbeziehung des Sozialraums, ambulant vor stationär, hier sollte man ansetzen. Ich bitte das nicht falsch zu verstehen: Der Mensch steht im Mittelpunkt und Leistungen müssen den besonderen Problemen individuell gerecht werden. Wenn immer mehr behinderte Menschen ihr Leben selbstbestimmt gestalten wollen, dann MÜSSEN wir die passenden Strukturen und Angebote für unterstütztes selbstständiges Wohnen allein oder in Wohngruppen, für Freizeit und im Arbeitsleben schaffen. Es gibt genügend gute Beispiele, wie z. B. Teilhabe am Arbeitsleben außerhalb der Werkstätten realisiert werden kann, ein paar auch schon in Mittelfranken, integra in Bamberg, auch BÜWA könnte sich dazu entwickeln.

Ein Leuchtturm-Projekt ist ifs-Spagat in Vorarlberg, wo auch schwer behinderte Menschen mit der entsprechenden Unterstützung in ganz normalen Betrieben arbeiten. Inklusion muss mit Leben gefüllt werden, dann wird sie zu einer Win-winSituation für die Mitbürgerinnen und Mitbürger wie für die gesamte Volkswirtschaft.

Die präventiven Leistungen im ambulanten Bereich spielen hierbei eine wichtige Rolle. Niederschwellige Dienste bieten Hilfen und Unterstützung an für Menschen, die nicht stationär betreut werden. Viele Betroffene können mit diesen Dienstleistungen so weit stabilisiert werden, dass man auf teurere Maßnahmen verzichten kann. Im vergangenen Jahr sind aus gutem Grund die psychosozialen Suchtberatungsstellen sehr in den Fokus gerückt. Ich muss hier nicht darstellen, welchen unverzichtbaren Beitrag diese für suchtkranke Menschen und für die

Gesellschaft erbringen. Auch sind immer mehr Menschen von psychischen Erkrankungen betroffen. Es ist nicht nachzuvollziehen, dass seit Jahren Bedarfe aufgezeigt, aber nicht berücksichtigt werden.

Deshalb bitte ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wirken Sie mit für eine Stärkung des ambulanten Bereichs! Nur durch eine Entscheidung des

Bezirkstags gibt es eine Chance, auf den Bedarf zu reagieren. Das ist unserer Fraktion sehr wichtig. Die Signale, die wir aus den Vorberatungen empfangen haben/die Beiträge der VorrednerInnen gehen zumindest in die richtige Richtung. Ohne Berücksichtigung dieses Anliegens hätten wir erhebliche Probleme, dem Bezirkshaushalt zuzustimmen.

Noch kurz zur Stiftung: Bündnis 90/Die Grünen sehen in der Förderung der Naturpflege und der Kultur einen wichtigen Aspekt der Lebensqualität für

Mittelfranken. Die finanzielle Schieflage macht auch uns Grünen Sorgen. Für 2016 besteht derzeit eine Deckungslücke von 279.400 Euro. Es ist unabdingbar, dass die Stiftung – will sie weiterhin ihren satzungsgemäßen Zweck erfüllen – eine deutliche Entlastung benötigt. Es zeigt sich, dass die Rücklagen und inflationsbedingt auch das Grundstockvermögen über die Jahre immer weiter abgeschmolzen wurden und werden. Deshalb halten wir es für den einzig gangbaren Weg für die Stiftung, die Pflichtleistung Denkmalpflege wieder in den kameralen Haushalt zurückzunehmen. Wir bitten sehr um Ihre Unterstützung dafür. Selbst dann mahnen wir zu Sparsamkeit und Rücklagenbildung, denn auch mit den 385.000 Euro ist die Abwärtsspirale der Stiftung zwar abgemildert, doch nicht aufgehalten.

Besser lesen sich die Erfolgszahlen im kommunalen Unternehmen. Wir sind froh, dass wir hier nicht zuschießen müssen. Das ist ein Trend, den wohl auch die anderen Bezirkskliniken aktuell schaffen. Thematisiert werden müssen jedoch der Führungsstil und die Probleme in der Kommunikation im Unternehmen. Es darf nicht sein, dass hier Management über Menschlichkeit steht, gerade in einem Unternehmen, das für psychisch kranke Menschen da ist.

Die wichtigste Frage zum Schluss: Ja, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stimmt einer Umlagesenkung zu (auch wenn sie in absoluten Zahlen eine Erhöhung bedeutet), die mit einem Mix aus Rücklagenentnahme und Kreditfinanzierung zu erreichen ist, wenn der soziale Bereich berücksichtigt wird. Möglicherweise schaffen wir nicht die Umlagesenkung, die sich gerade die kreisfreien Städte erhofft hatten. Immerhin senken dieses Jahr trotz Strukturreform nur zwei Bezirke ihre Umlage, nämlich Oberbayern und Mittelfranken.

Ich wünsche uns allen im Anschluss an die Reden konstruktive, gute Beratungen und gute Ergebnisse für alle Bereiche, insbesondere den sozialen.

Danken möchte ich im Namen meiner Fraktion heute allen, die dazu beitragen, die Aufgaben des Bezirks mit Leben zu erfüllen: Zunächst natürlich dem Finanzreferat, insbesondere Herrn Weispfenning für die Vorlagen zum Haushalt, die Klärung vieler Fragen und Ausarbeitungen wie die „Schuldenkurve“ und die Auflistung der einzelnen Umlagen, was auf Anregung unserer Fraktion geschah. Unser Dank gilt ebenso allen Ansprechpartnern und -partnerinnen der anderen Referate für die gute Zusammenarbeit sowie allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung, der Einrichtungen und der Kliniken des Kommunalunternehmens für ihr Engagement und ihren Einsatz. Danken möchte ich auch Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, und Ihnen, Herr Präsident, für ein wachsendes, faires, offenes Miteinander. Ihnen allen frohe Festtage, eine geruhsame Zeit „zwischen den Jahren“, ein gesundes und glückliches neues Jahr!

Lydia Bauer-Hechler, stellvertretende Fraktionsvorsitzende

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