Haushalt hat zu tun mit haushalten, wirtschaften, Ehrlichkeit ….wir stellen Weichen, es kommen Zahlen auf den Tisch – und man bekommt eine Quittung, manchmal auch eine Bescherung.
Eine unerwartete Bescherung war für uns Grüne das im Sozialausschuss im September beschlossene Heimbaumoratorium. Da wurden die Weichen richtig gestellt. Für mich war das wie an Weihnachten; kämpfen wir Grüne doch seit Jahren für einen Stopp beim Heimbau in der Eingliederungshilfe.
Herr Schuster, in der letzten Haushaltsrede – hier, letztes Jahr – haben Sie noch gesagt, ich zitiere „und es bringt uns auch nicht weiter, wenn wir die Zustimmung für den Bau neuer Wohnheime versagen, wie es in der letzten Sozialausschusssitzung die Grünen getan haben“ auch Sie von der SPD haben damals gesagt „der Dr Hiemeyer hat ja eigentlich recht, aber jetzt gleich gegen den Bau von Wohnheimen zu stimmen, das geht uns zu weit“. ….. in der Mai Sitzung wurde auf unseren Antrag hin erneut diskutiert, geht nicht war die klare Aussage.
Aber jetzt wurde plötzlich ein Heimbaumoratorium beschlossen und zwar einstimmig: Und Sie Herr Schuster haben im ersten Redebeitrag kundgetan, dass Ihre Fraktion dafür ist – ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen – d.h. Sie haben das Gegenteil von dem gesagt, was Sie ein halbes Jahr zuvor vehement vertreten hatten, einfach so, ohne Begründung, nicht einmal rot werden Sie dabei. Von der Sache her war das super – Gratulation, solches Umdenken wünschen wir uns öfter.
Richtige Weichenstellungen sind also gefragt – damit sind wir auch dem Gutachten zuvorgekommen und auch die anderen Bezirke haben noch kein Heimbaumoratorium. Die Richtung festlegen, die richtigen Weichen stellen. Das verlangen auch die Umlagezahler von uns, dafür werden wir gewählt.
Das Gutachten zeigt uns aber, dass wir diese Umkehr von einem sehr hohen Niveau aus tun – haben wir doch in Mfr 20 % mehr Heimplätze in der Eingliederungshilfe als die anderen Bezirke. Und von diesen Heimplätzen geht ein Sog aus, die müssen auch belegt werden, das kostet dann die Millionen. Deswegen müssen wir jetzt an den Abbau von Heimplätzen gehen, das ist eine wichtige Aufgabe der nächsten Jahre.
Und die Lebensqualität der Betroffenen ist mit ambulanter Betreuung meistens besser als stationär, das ist Konsens. Das fordert auch die Behindertenrechtskonvention.
Hier nun ein Wort zum Gutachten: Es betont, was wir eigentlich schon wissen konnten, aber nicht wahrhaben wollen: Mittelfranken gibt pro Einwohner 44 € mehr für Eingliederungshilfe aus als das übrige Bayern.
- würden wir genau so viel ausgeben wie der Durchschnitt der übrigen Bezirke, wären das 75 Mill € weniger im Jahr
Diese Zahlen sind aber nicht neu. Wir Grüne haben genau das in der Sitzung des Sozialausschusses im Juni nachgefragt – es hat niemanden interessiert. Ich habe mich an meine Kolleginnen und Kollegen gewandt und auch an die Sachverständigen – helfen Sie doch, diese Unterschiede zu erklären. Keiner hat sich gemeldet!! Diese zentrale Frage wird einfach nicht angegangen.
Deswegen nützt es auch nichts Herr Kollege Schuster, wenn Sie jetzt bemerken, dass das Gutachten hier neue Zahlen geliefert hat. Hat es nicht, wir müssen die alten Zahlen von 2008 nur analysieren und zu beantworten versuchen – auch das Gutachten baut ja auf diesen auf.
Sind wir Menschen in Mittelfranken so viel behinderter, als in den anderen Bezirken? Ist die Versorgung in den anderen Bezirken so viel schlechter?
Das war aber auch die Frage an die Gutachter.
- die Fragen warum? woran liegt es? waren Bestandteil des Gutachtenauftrags, wurden aber nicht beantwortet. Schade.
Die Gutachter haben unserer Meinung nach bei ihrer Arbeit auf halbem Weg aufgehört – schöne Bescherung.
Auch wir Grüne haben ein Problem, über Standards im Sozialbereich zu reden – keiner will da ran Aber diese unsere Gesellschaft muss sich fragen und diskutieren: Was sind uns die Behinderten, die Alten, die Kranken wert – und dann auch die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellen. Umgekehrt muss aber auch möglich sein, zu fragen, ob die anderen Bezirke mit weniger Geld gleich gute Versorgung machen und ob wir von ihnen lernen können. Hierbei hätte uns auch das Gutachten helfen sollen und können.
Gut, dass wir heute nicht Hals über Kopf Beschlüsse fassen werden. Meine Damen und Herren, für Kormorane reservieren wir eine ganze Bezirkstagsitzung, aber für die Sozialdiskussion, unser Kerngeschäft, nehmen wir uns diese Zeit nicht, sondern wollten sie durch den Bezirkstag peitschen – so war das geplant.
Vorausschauende Haushaltspolitik ist auch umlagezahlerfreundlich, aber letztes Jahr haben wir mutwillig fast 20 Mill in den Haushalt 2011 verschoben. Sie sagten noch, Herr Schuster, ich zitiere „aber es wäre reine Augenwischerei, wenn wir nicht heute schon sagen würden, dass wir damit eine weitere Belastung der Umlagezahler nur um ein Jahr verschieben“. Warum tun Sie es dann? Gut gemeint, liebe CSU, aber halt zu kurz gedacht – die Quittung kriegen wir heute. Auf die 50 Mill kommen diese 20 noch drauf. Schöne Bescherung!
Haushalten braucht mehr langfristiges Denken, oder wenigstens mittelfristiges!! Deswegen haben wir Grünen auch gegen die beiden letzten Haushalte gestimmt. Vorausschauende Haushaltspolitik schaut unserer Meinung nach anders aus. Diesmal werden keine Schnellschüsse geplant und die Umlage wird im notwendigen Maß erhöht – deswegen können wir Grüne wieder mal zustimmen. Wir meinen jedoch, dass wir die Rücklagen so bald als möglich wieder auffüllen müssen, deswegen unser Antrag.
Und wenn Sie, Herr Schnell, vorhin von der richtigen Balance gesprochen haben, dann finde ich das einen ganz guten Ausdruck für unsere politische Arbeit. Die richtige Balance finden zwischen den Umlagezahlern und den Bezirken, zwischen den einzelnen Bezirken, zwischen den Mitmenschen und zwischen den Generationen.
Haushalten fordert Nachhaltigkeit, und Unehrlichkeit fordert immer seinen Tribut. Aber unehrlich sind wir seit Jahrzehnten – auf allen Gebieten, auf Kosten unserer Kinder, Enkel und Urenkel. Da ist es gut, dass wir jetzt bei unseren Sitzungen oft ein Baby dabei haben, das mahnt uns, ein paar Jahre weiter zu denken …….. Als unser Florian ein Jahr alt war, haben meine Frau und ich uns auch die Frage gestellt, wohin wir steuern und sind zu den Grünen gegangen, im November 1980….
Nachhaltigkeit sollte immer unser Handeln bestimmen, spätestens beim Haushalt, besser bei allen Entscheidungen. Dazu gehört auch die Regionalen Versorgung z.B. bei den Lebensmitteln in unseren Krankenhäusern: Wir sagen zwar wir wollen – aber eine Umsetzung gelingt nicht. Ein neuer Anlauf heute mit TOP 4 Antrag Mittelstandsklausel.
Wir Grüne bedauern auch, dass wir es nicht geschafft haben, das denkmalgeschützte Haus 16 im Bezirksklinikum Ansbach zu erhalten. Dabei wissen wir, dass alte Häuser baulich manchen Neubau überdauern würde, den wir heute hinstellen.
Es ist dreist und frech von der bayerischen Landesregierung, deutliche Erhöhungen der Sozialausgaben nicht im FAG zu berücksichtigen, nur um einen ausgeglichenen Haushalt verabschieden zu können. Dabei sind ja Milliarden in den Sand gesetzt worden, die jetzt fehlen. Und bezahlen müssen dafür die Kommunen.
Alle Bezirkstagspräsidenten haben ihren Einfluss geltend gemacht, um eine Verbesserung zu erreichen. Kein Erfolg. Da fragt man sich doch: In was für einer Partei sind diese Herren Bezirkstagspräsidenten eigentlich, dass sie so wenig Einfluss haben…….oder sind sie so unbedeutend für die Staatsregierung, dass diese einfach darüber hinweggehen kann? ….schöne Bescherung kann ich da nur sagen!
Ein großes Verdienst war jedoch die Veranstaltung mit den Kämmerern und Städten und Landkreisen in diesem Saal. Ich bin froh dass ich dabei war, obwohl nur geduldet – dass Sie das geschafft haben Herr Bartsch, dafür herzlichen Dank. Dadurch ist die ganze Diskussion jetzt deutlich entkrampfter, eine kommunale Familie ist wieder zu ahnen – aber nach der neuesten Entwicklung auch schon wieder problematisch.
Kurz noch zum Demokratieverständnis, wie wir es hier im Bezirkstag manchmal erleben. Im Verwaltungsrat der Bezirkskliniken etwa ging es um eine problembeladene Abteilung in unserem Kommunalunternehmen und um nicht ganz eindeutige Aussagen von hoher Stelle. Als ich darauf hinwies, dass das falsch dargestellt wird, bekam ich die tolle Antwort von einem Kollegen: „Wir wissen Herr Hiemeyer, wo sie das herhaben – diese Informationsquelle können Sie vergessen“ Kundig war ich, weil ich mit jemand geredet hatte, der verantwortlich tätig ist in eben dieser Abteilung, und welche bessere Informationsquelle gibt es denn, wenn wir wirklich daran interessiert sind, was vor Ort los ist.
Gleichzeitig sitzt dieser Mitmensch auch hier im Bezirkstag, und ich bedanke mich ausdrücklich beim Kollegen Schildbach für die konstruktive und verantwortliche Mitarbeit hier im Bezirkstag. Wie sagte er bei der letzten Haushaltsrede – da sehen Sie, Herr Präsident, wer Ihr wahrer Verbündeter ist. Da ist oft was dran. Und gleich vorbeugend – ich verrate hier kein Geheimnis aus einer nicht öffentlichen Sitzung, und auch die Info war so was von banal. Das hat nichts zu tun mit Schweigepflicht oder Betriebsgeheimnis, da bin ich ganz vorsichtig.
Herr Bartsch, ich glaube Sie wissen genau, dass Ihre Verbündeten auch bei den Grünen und bei der Linken sitzen können – in Ihrer Fraktion ist das oft noch nicht so angekommen. Um vermeintliche Mauern abbauen zu helfen, habe ich den Fraktionsvorsitzenden der CSU gebeten, mal bei einer Fraktionsbesprechung dabei sein zu dürfen – auf eine Antwort warte ich seit Februar.
Aber jetzt zum Schluss etwas ganz Versöhnliches. Ich erinnere mich an die consozial vor 2 Jahren, Riesenabendveranstaltung, ich war ganz neu im Bezirkstag, kannte niemand – da stand plötzlich mitten im Saal jemand an seinem Tisch auf und rief: Herr Hiemeyer, kommen Sie doch zu uns an unseren Mittelfrankentisch – es war Herr Schuster, fand ich ganz toll.
Jetzt bin ich seit 2 Jahren hier im Bezirkstag und ich finde die Arbeit sehr interessant und arbeite mich auch gern ein in die vielen Themen. Auf einer privaten Feier letztes Jahr hat der Bezirkstagspräsident gesagt „wir müssen uns erst noch an Dr. Hiemeyer gewöhnen“ Ich hoffe, dass das nicht ganz so schlimm ist mit mir – und wenn Sie mal ein Problem damit haben, dann sagen Sie es mir einfach. Wir Grüne sind da ganz offen… und lernfähig.
An dieser Stelle bedanken sich Frau Raab und ich bei der Bezirksverwaltung, den Kolleginnen und Kollegen und allen Beteiligten für die offene und fruchtbare Zusammenarbeit und wünschen uns allen eine schöpferische Haushaltsdebatte und dann noch eine friedliche und besinnliche Adventszeit.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Dr. Klaus Hiemeyer
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