Sehr geehrter Herr Bezirkstagspräsident, Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Sehr geehrte Damen und Herren der Presse, Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer,
Der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker äußerte sich zum Ende seiner Amtszeit mit bewundernswerter Offenheit und Ehrlichkeit als Politiker über das Gebaren der politischen Parteien. Er kritisierte dabei die „Machtvergessenheit und Machtversessenheit“ der politischen Akteure.
Wir stellen heute fest, dass die Beschreibung v. Weizsäckers auf die hiesige CSU mit ihrer absoluten Mehrheit im Bezirkstag zutrifft. So wird mit einem eiskalten machtpolitischen Federstrich der Zuschuss an Umweltverbände für die Durchführung von modellhaften Projekten gestrichen. Soll hier mit der Abstrafung des Landesbundes für Vogelschutz und des Bund Naturschutz ein Exempel für ihr Engagement beim Waldvolksbegehren statuiert werden? Dabei haben diese Verbände nur ihr Recht wahrgenommen, an der politischen Willensbildung mitzuwirken. Ihre Änderungsanträge sind ein Rückschritt ins umweltpolitische Mittelalter und ein Schlag gegen die Natur. Es verhöhnt die vielen engagierten Menschen, die sich für Umweltbildung und für den Schutz von Natur und Umwelt einsetzen.
Sehr geehrte Bezirksräte und Bezirksrätinnen der CSU, Ihnen fehlt sogar der politische Anstand und Mut, die beabsichtigte Streichung der Gelder den betroffenen Umweltorganisationen vorher anzukündigen.
Ich zitiere aus Ihrem Bezirkstagswahlprogramm 2003: „Auf unsere mittelfränkische Landschaft sind wir alle stolz. Wir wollen saubere Luft, reines Wasser und eine intakte Umwelt. Dafür setzte der Bezirk seit vielen Jahren deutliche Zeichen. Die gemeinsamen Aktivitäten der Bauern, Kommunalpolitiker vor Ort und der Umweltverbände im „Landschaftspflegeverband Mittelfranken“ brauchen neuen Schwung.“
So schaut also der neue Ab-Schwung aus.
Wenn die CSU davon spricht, dass die anderen sechs bayerischen Bezirke solche Zuschüsse ebenfalls nicht gewähren, so legt sie indirekt die Axt an den Bestand und die Berechtigung der Mittelfrankenstiftung „Natur – Kultur – Struktur“. Für uns Bündnisgrüne ist es nicht nachvollziehbar, dass aus den Stiftungsmitteln zum Beispiel eine Trachtenausstellung in unserer Partnerregion Pommern finanziert werden kann. In der Urkunde über die Errichtung der Mittelfranken-Stiftung steht eindeutig geschrieben: „Zweck der Stiftung ist die Förderung der Natur, Kultur und Struktur im Bezirk Mittelfranken im Rahmen der in Art. 48 Abs. 1 Bezirksordnung festgelegten Aufgaben des Bezirks im eigenen Wirkungskreis unter Berücksichtigung des Natur- und Umweltschutzes. Die Stiftung dient der Förderung bezirksspezifischer Projekte der Landschaftspflege, des Artenschutzes, der Unterstützung von Maßnahmen der Umweltbildung sowie der Erarbeitung und Umsetzung von Beispielen einer nachhaltigen und naturschonenden Landnutzung im Zusammenhang mit den Landwirtschaftlichen Lehranstalten in Triesdorf. …“
Beim Haushalt 2002 gab es noch insgesamt 706.500 Euro für Natur- und Umweltschutz, im vorgelegten Haushaltsentwurf 2005 sind es noch 546.000, mit der von der CSU beantragten Streichung sogar nur 429.000 Euro. Das ist eine Mittelkürzung im Natur- und Umweltschutzbereich um 40% innerhalb von vier Jahren.
Wir können in der Stiftungs-Urkunde nicht lesen, dass mit den Geldern der MittelfrankenStiftung länderübergreifende regionale Partnerschaften gefördert werden sollen. Wir kündigen heute an, sehr geehrte Herren und Damen der CSU, dass wir juristisch und vom Staatsministerium des Innern prüfen lassen, ob hier Stiftungsgelder satzungswidrig vergeben werden und wurden. Zukünftig werden wir die Mittelverwendung des Stiftungshaushaltes sehr kritisch unter die Lupe nehmen.
Die Bezirkstagsgruppe von Bündnis 90/DIE GRÜNEN hat deshalb beschlossen:
- Eines werden wir in Zukunft nicht mehr tun: als Statisten die Übergabe von Fußbällen und fränkischen Produkten bei Partnerschaftsbesuchen begleiten! Sie können ja aus Ihrer vielköpfigen CSU-Fraktion Ihre Bezirksräte und Bezirksrätinnen zwangsweise rekrutieren. Bisher hat sich ja hauptsächlich Frau Tietzsch als williges Opfer gezeigt. Oder lag die Minimal- Beteiligung und das Desinteresse von CSU-Bezirksräten und – rätinnen daran, dass die Fahrten zu den Partnerschaftsregionen Limousin und Wojwodschaft Pommern aus eigener Tasche zu bezahlen waren?
- Ferner verzichten wir bis auf weiteres auf die Teilnahme am Ältestenrat, der durch die neue Gangart der Mehrheitsfraktion zur Farce wird. Beispiele hierfür aus jüngster Zeit sind die geplante, heimliche Benennung der Behindertenbeauftragten durch die Hintertür ohne vorherige Beratung in den zuständigen Gremien, die nach Protesten von Bündnis 90/Die Grünen nun aufgeschoben ist; oder die Tatsache, dass wir über die ungeheuerlichen Vorgänge in der Frankenalbklinik Engelthal aus der Zeitung erfahren mussten.
Hier halten wir es mit Erich Kästner, der so trefflich formuliert: „Was auch immer geschieht, nie dürft ihr so tief sinken, von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken!“
Sie zeigen nun Ihr wahres Gesicht und ziehen mit Ihrer 51 %-Stimmenmehrheit eine 100 %ige CSU-Politik durch. Damit bedienen Sie einseitig die Bedürfnisse der CSU-Klientel.
Wir haben uns in den vergangenen Monaten kooperativ gezeigt. Wir haben die Beschlüsse mitgetragen, die drei Bezirkskliniken Mittelfrankens und die soziotherapeutischen Heime in ein Kommunalunternehmen ab 1.1.2005 zusammenzufassen. Künftig wird nicht der öffentlich tagende Gesundheitsausschuss, sondern ein nicht öffentlich tagender Verwaltungsrat die Entscheidungen für das Kommunalunternehmen treffen. Wir werden diese Arbeit so gut wie möglich und so kritisch wie nötig begleiten, auch wenn wir keinen eigenen Sitz in diesem Gremium haben.
Was die baldige Benennung des Vorstandes für das Kommunalunternehmen betrifft, so sind wir neugierig, was der CSU-Bezirkstagsfraktion im Januar 2005 wichtiger sein wird: die beste Frau / der beste Mann an der Spitze des KU oder die Nähe zum Sozialministerium.
Nun zum vorliegenden Haushaltsentwurf 2005: Die Bewertung des Haushaltsentwurfes für das kommende Jahr 2005 war für uns so schwierig wie nie zuvor. Bis zum gestrigen Sozialausschuss waren die in der Öffentlichkeit genannten Kostenentwicklungen bei den Delegationsleistungen nicht klar. Bei so widersprüchlichen Meldungen, die von 2 Millionen Überschuss bis zu einer Deckungslücke von voraussichtlich 5 Millionen reichen, können wir nur von einem Haushalt der „Irrungen und Wirrungen“ sprechen.
Wir sehen uns heute trotz der gestiegenen, aber längst nicht ausreichenden Finanzausgleichsmittel erneut in einem Zwiespalt zwischen den Nöten der Umlagezahler und den bestehenden Anforderungen, die unsere sozialen Aufgaben im Bezirkstag und des Sozialetats an uns stellen. Für uns gibt es hier eine klare Priorität: Eine weitere Nullrunde bei den Eingliederungshilfen für Menschen mit Behinderung ist nicht mehr hinzunehmen.
Wir beantragen deshalb, bei den Eingliederungshilfen eine lineare Steigerung von 1,5 % vorzunehmen. Zu unserer Verwunderung hat der stellvertretende Landrat des Nürnberger Landes, Herr Kollege Dünkel, die Situation bei den Einrichtungen der Eingliederungshilfe in seinem offenen Brief an den Landrat Helmut Reich mit keiner Silbe erwähnt. Es ist bezeichnend, wenn der Herr Kollege Dünkel als Geschäftsführer der Lebenshilfe im Nürnberger Land bei seinen Verlautbarungen in den Heimatzeitungen des Landkreises zu diesem Thema schweigt. Wie gut hätte er als Meinungsführer, dessen Aussagen breiteste Beachtung finden, für die behinderten Menschen und die Mitarbeiter in den Einrichtungen bei der Bevölkerung um Verständnis für angemessene Kostensteigerungen werben können!
Wir nehmen die Sorgen und Nöte der Gemeinden und Städte Mittelfrankens ernst. Sie stehen finanziell an der Wand, weil sie am untersten Glied der Kette stehen. Sie erhalten immer mehr Aufgaben ohne die entsprechende finanzielle Ausstattung. Die Forderungen der Umlagezahler nach einer Senkung der Bezirksumlage sind unserer Meinung nach deshalb verständlich und nachvollziehbar. Allerdings darf dies nicht auf Kosten der Menschen gehen, die in besonderer Weise auf die Unterstützung von uns Bezirksräten angewiesen sind. Die grüne Landtagsfraktion hat deshalb am Dienstag dieser Woche die Staatsregierung in einem Dringlichkeitsantrag aufgefordert, „die Finanzsituation der Bezirke so auszugestalten, dass ein Ansteigen der Bezirksumlage verhindert wird und die Leistungen der Bezirke im sozialen Bereich gesichert oder verbessert werden.“
Unter Berücksichtigung unseres Antrages zur Steigerung der Eingliederungshilfe sehen wir nur den Spielraum, die Bezirksumlage um 0,85 Prozentpunkte auf einen Hebesatz von 25,8 Punkten zu senken und beantragen diese Senkung der Bezirksumlage für heute.
Inzwischen mehren sich die Stimmen zur Abschaffung der Bezirke. Erst am vorigen Dienstag hat Gemeindepräsident Uwe Brandl öffentlich gefordert, die Bezirksaufgaben auf das Land zu übertragen. Läutet hier das Totenglöckchen des Bezirks? Rächt sich jetzt Ihr Stillhalten bei der Diskussion um die Reform der Bezirke vor 3 Jahren?
Wir beobachten eine Änderung der Taktik der bayerischen Staatsregierung: Momentan wird nach Salamitaktik eine Aufgabe nach der anderen den Bezirken entzogen. Einen anderen Teil der Aufgabenentledigung machen dann die Bezirke sogar selbst.
Wir halten die Wegnahme der Zuständigkeit für Gewässer 2. Ordnung ab 2006 von den Bezirken ans Land für einen schweren Fehler. Es ist ein eindeutiger Verstoß gegen das Konnexitätsprinzip. Und es ist ein weiterer Schritt in die Bedeutungslosigkeit der Bezirkstage. Wo blieb denn die Gegenwehr der mittelfränkischen CSU-Bezirkstagsfraktion?
Aktuell als nächster Schritt ist die Neuordnung der Forensik geplant. Von Zweckverbänden bis zur Privatisierung ist die Rede. Wieder eine Aufgabe weniger.
Sehr geehrte CSU- Bezirksräte und Bezirksrätinnen, sie haben es in den vergangenen Monaten und Jahren versäumt, überregionale Akzente zu setzen. Sie haben es versäumt, Zeichen zu setzen, als es um den Verzicht des Einsatzes von gentechnisch veränderten Futter- und Lebensmitteln in bezirkseigenen Einrichtungen oder um die Schaffung einer gentechnikfreien Zone Mittelfrankens in einem von uns initiierten Antrag ging. Sie haben es versäumt, die bezirkseigenen Einrichtungen zu unterstützen. Einige Beispiele: Trotz anfänglichem lautem Rettungs-Geschrei von Ex-Bezirksrat Wägemann und späterem leiseren Einknicken vor Miller wird der Hauswirtschaftszweig an der Technikerschule in Triesdorf abgewickelt. Die Tierhaltungsschule in Triesdorf hat vermutlich eine Gnadenfrist bekommen, bis Ihr Leiter in Pension geht. Der dringend benötigte Neubau für die Fachhochschule Triesdorf, um die akut bestehende Raumnot zu lindern, besteht bisher nur auf dem Papier. Die Mensa platzt aus allen Nähten. Die landwirtschaftlichen Lehranstalten Triesdorf bestechen überwiegend durch Mittelmäßigkeit. Wo sind denn Akzente und neue Ideen für die mittelfränkische Landwirtschaft geblieben?
Aus diesen und vorher erwähnten Gründen können wir heute diesem Haushalt nicht zustimmen. Ein Trost bleibt uns: Hochmut kommt vor dem Fall.
Zuletzt möchten wir unseren Dank an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Verwaltung und den Bezirkseinrichtungen aussprechen, die uns mit notwendigen Informationen versorgen, unsere Fragen geduldig beantworten und für die gute Zusammenarbeit.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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