Haushaltsrede 2004

Sehr geehrter Herr Bezirkstagspräsident, sehr geehrter Herr Vizepräsident, sehr geehrter Regierungspräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,  sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer,  sehr geehrte Damen und Herren der Presse,

die Problematik der diesjährigen Haushaltsberatungen wird schon bei einem Blick auf den Kalender ersichtlich. Die Tatsache, dass wir uns erst heute, am 25. März zusammenfinden, um das Schicksalsbuch des Bezirks zu beschließen, ist einer äußerst prekären Finanzsituation geschuldet. Leider haben sich viele Hoffnungen, die mit dieser Terminfestsetzung verbunden waren, zerschlagen. Weder haben die Beschlüsse im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat zu einer spürbaren Entlastung der kommunalen Haushalte geführt, noch hat die bayerische Staatsregierung den Bezirken die notwendigen Mittel, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben brauchen, zur Verfügung gestellt. Man darf also mit Fug und Recht behaupten: Das Warten hat sich nicht gelohnt! Insgesamt stehen wir heute vor einem Finanzloch von etwa 39 Mio. Euro und wissen nicht, woher wir das Geld für unsere sozialen Pflichtaufgaben, die gesetzlich vorgeschrieben sind, nehmen sollen.  Es ist heute eine Haushaltsberatung, die noch stärker als die letzte Haushaltsberatung 2003, unter einem Spardiktat steht, das am Rande des Erträglichen ist.

Selbst wenn es heute in dem ein oder anderen Fall gelingen sollte, noch Einsparpotentiale auszuschöpfen, so wird sich an den strukturellen Problemen des Defizits nur wenig ändern. Nun hat die CSU-Mehrheitsfraktion bei der Eingliederungshilfe für Behinderte ein Einsparpotential von 6 Millionen Euro ausgemacht. Die CSU schöpft hier einen der wenigen Freiräume im Sozialetat aus, um zu sparen. Wenn sie das tut, dann wird dies unweigerlich zu Leistungseinschränkungen bei den Betroffenen führen. Hier werden die Interessen einer Personengruppe, die sich wenig wehren kann, gegen die Interessen der Umlagezahler ausgespielt. Es scheint der Staatsregierung ein weiteres Mal zu gelingen, Zwietracht zwischen den kommunalen Ebenen zu säen und die Konflikte auf diese zu verlagern. Von einem Konnexitätsprinzip weit und breit keine Spur!

Wir glauben, behaupten zu können, dass hier im Gremium Einigkeit darüber besteht, dass die Bayerische Staatsregierung dafür verantwortlich ist, dass wir keinen ausgeglichenen Haushalt – jedenfalls nicht ohne Erhöhung der Bezirksumlage – vorlegen können.

Aber in der Verantwortung stehen auch die Präsidenten der sieben Bezirke, denen es nicht gelungen ist, entsprechend dem Bedarf zu verhandeln. Ganz konkret sprechen wir von Menschen in Mittelfranken, Menschen in unseren Gemeinden, Städten und Landkreisen, aus denen wir kommen – Menschen mit Behinderungen, psychischen Erkrankungen, Menschen mit Hilfebedarf im Alter.

Das Land hat an die Bezirke die Aufgaben der überörtlichen Sozialhilfe übertragen und es ist recht und billig, dafür in ausreichendem Maße die nötigen Finanzmittel zur Verfügung gestellt zu bekommen. Letztendlich das vorhandene Defizit über eine höhere Bezirksumlage an die Kreise, Städte und Gemeinden weiterzureichen, lehnen wir Grünen ab. Wir werden diesem Haushaltsentwurf deshalb auch nicht zustimmen.

Es rächt sich jetzt, dass bei der Diskussion um die Reform der Bezirke damals keine selbstbewussten Forderungen von den Bezirkstagspräsidenten und Bezirksgremien zur Stärkung der Bezirke mit neuen Finanzierungsmöglichkeiten und Aufgabenzuschnitten laut geworden sind. Nein, ängstlich ist versucht worden, den Status Quo aufrecht zu halten und sich damit zufrieden zu geben, dass alles beim Alten bleibt.

Die CSU im Landtag hat das Ziel, im Jahr 2006 einen Haushalt ohne Neuverschuldung aufzustellen und nimmt dafür in Kauf, dass die Kommunen noch weiter in die Schuldenfalle getrieben werden. Vor diesem Hintergrund ist der Verweis auf hohe moralische Ansprüche, den kommenden Generationen zu dienen, unglaubwürdig und ignorant. Diese Ignoranz zeigt sich in besonderer Weise beim Kürzen des Blindengeldes, wo sich die zuständige Ministerin Stewens in einem persönlichen Brief an die Betroffenen wendet, und Ihnen rät, sich die Differenz der Kürzung bei den Bezirken wieder zu holen. Besonders dreist und überheblich finden wir, dass die Ministerin es nicht einmal für nötig hielt, die Bezirke von dieser Maßnahme in Kenntnis zu setzen. Es geht immerhin laut Kämmereipaket um etwa 1 Million Euro zusätzliche Kosten für den Bezirk Mittelfranken.

Mit großer Sorge verfolgen wir die Entwicklung auf dem Gebiet der dezentralen, ambulanten Versorgung psychisch kranker Menschen. Leider ist es nicht gelungen, die Krankenkassen oder den Freistaat Bayern zur erneuten Mitfinanzierung der Sozialpsychiatrischen Dienste zu bewegen. Bei diversen Anhörungen im Sozialausschuss des Landtags konnten die Vertreter der Wohlfahrtsverbände deutlich machen, dass diese Angebote letztlich billiger kämen als stationäre Betreuungsangebote. Die Süddeutsche Zeitung äußert sich zu dieser Thematik. Unter dem Titel: „Der große Schritt zurück – Zwangseinweisungen in Kliniken werden zunehmen“ schreibt sie: „Studien belegen, die Zahl der Zwangseinweisungen sinkt durch die Arbeit der SpDis um 40 %.“ Weiter heißt es: „Alle Psychiatrie-Experten sind sich darüber einig, dass die SpDis die tragende Säule einer modernen, psychiatrischen Versorgung in Bayern darstellen. Wer sonst sucht schwer kranke, von Angst geplagte Menschen zu Hause auf und berät selbstverständlich Angehörige von psychisch kranken Menschen?“

Bedauerlich finden wir, dass die CSU-Mehrheit im Bezirksausschuss sich nicht einmal in der Lage sah, einem Appell der Grünen an die Staatsregierung zur Erhaltung der Sozialpsychiatrischen Dienste zuzustimmen. Es droht eine wichtige Säule in der ambulanten psychiatrischen Versorgung zusammenzubrechen und dabei geht es nur um lächerliche 3 Millionen Euro in ganz Bayern.

Hier zu sparen, heißt in der Zukunft doppelt und dreifach draufzuzahlen. Deshalb beantragen wir, dass der Bezirk die fehlende Summe für die sozialpsychiatrischen Dienste von 347.000 Euro als Zukunftsinvestition wieder wie im letzten Haushaltjahr übernimmt.

Es geht nicht darum, dass zu wenig Geld für diese Aufgaben da ist, sondern um die Bereitschaft und den Willen, das Geld für soziale Zwecke auszugeben. Wir wollen Ihnen ein Beispiel geben: In Würzburg wird derzeit an einem Zentrum für Experimentelle Molekulare Medizin mit Gesamtbaukosten von 31 Millionen Euro gebaut. Auch die Uni Erlangen erhält ein Zentrum für experimentelle medizinische Forschung, dessen Baukosten sich auf 25 Millionen Euro summieren. Insgesamt also über 50 Millionen Euro. Unter „experimenteller molekularer Medizinforschung“ ist gemeint: Genforschung an Mäusen oder anderen Tieren, um irgendwann in ferner Zukunft vielleicht erforschen zu können, warum Menschen diese oder jene Erkrankung haben. Dafür nimmt man in Kauf Tausende von Tieren einen grausamen Tod sterben zu lassen. Wir wollen damit sagen, dass für zweifelhafte Dinge, die nicht nur ethisch, sondern auch von ihrer Ausrichtung her äußerst fragwürdig sind, genügend Geld da ist. Aber für die würdige Pflege und Betreuung alter Menschen, Behinderter oder psychisch Kranken erhalten die Bezirke nicht die finanziellen Mittel, die sie brauchen.

Unsere weiteren Haushaltsanträge betreffen den Erhalt der Suchtberatung in Nürnberg, wo durch den Rückzug der Stadt 2,75 Stellen vakant sind. In einem jüngst stattgefundenen Gespräch konnten die Träger Stadtmission, Caritas und Lilith den Bedarf für diese Stellen eindrucksvoll deutlich machen. Es handelt sich bei den 154.000 Euro um keine Mehrausgabe, da sie der Bezirk bis zum 31. August des vergangenen Jahres auch finanziert hat.

Neben den bereits erwähnten Anträgen auf den zentralen Feldern von Suchtberatung und Sozialpsychiatrischen Diensten stellen wir noch zwei Anträge, die der Arbeit des Bezirksjugendringes zugute kommen sollen. Es handelt sich dabei um die Beteiligung des Bezirks an der pädagogischen Arbeit rund um das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände und um eine Aufstockung für die Honorartätigkeit im Rahmen der internationalen Gedenkstättenarbeit.

Was den Komplex der Krankenhäuser betrifft, so meinen auch wir Grüne, dass sowohl die Kooperation mit umliegenden somatischen Kliniken gesucht werden soll als auch die Zusammenfassung der drei Kliniken mit angeschlossenen Einrichtungen sinnvoll ist. Wir stimmen der Umwandlung der drei Kliniken in ein Kommunalunternehmen unter der Vorgabe zu, dass dieses Unternehmen dann Mitglied im kommunalen Arbeitgeberverband wird.

Wir begrüßen und unterstützen den Antrag von der SPD-Fraktion, die Flächen der Landwirtschaftlichen Lehranstalten Triesdorf als gentechnikfreie Zone zu erklären. Aber es reicht nicht, nur die Flächen der LLA in Triesdorf gentechnikfrei zu bewirtschaften, sondern ganz Mittelfranken soll gentechnikfrei bleiben und sein. Bereits vor fünf Monaten brachte die grüne Bezirkstagsgruppe eine Erklärung zur Regelung der Koexistenzfrage im Zusammenhang mit der Ausbringung gentechnisch veränderter Organismen (GVO) ein. Wegen angeblicher „Nichtzuständigkeit“ wurde der Antrag bereits im Wirtschafts- und Umweltausschuss von der CSU-Mehrheit abgeschmettert. Wir bedauern, daß der Bezirkstag Mittelfranken nicht wie unsere Partnerregion Limousin aktiv für einen gentechnikfreien Landbau eingetreten ist und sich zur gentechnikfreien Region erklärt hat.  In diesem Zusammenhang erfüllt die Saatzucht in Triesdorf eine wichtige Funktion, gentechnikfreies Saatgut zu züchten und zu erhalten.

Erfreut nehmen wir zur Kenntnis, dass eine langjährige Forderung von uns Grünen aufgegriffen wurden und zumindest für einen kleinen Teil der Flächen der landwirtschaftlichen Lehranstalten die Umstellung auf ökologischen Landbau verwirklicht wird. Spät, aber immerhin.

Mit Interesse haben wir auch vernommen, dass die CSU einen langjährigen Vorschlag von Bündnis 90/Die Grünen aufgreift und aus den Seenzweckverbänden aussteigen will. Das ist richtig, aber spät, denn nun trifft diese Entscheidung die Kommunen im Seenland natürlich zu einem Zeitpunkt, da ihnen finanziell das Wasser bis zum Halse reicht. Ferner begrüßen wir alle Initiativen, den Ausstieg des Bezirks aus der Musikschule AugsburgNürnberg beschleunigt zu betreiben. Hier ist der Freistaat Bayern gefragt.

Grundsätzlich gilt: Unsere Anträge im kameralen und im Stiftungshaushalt sind mit ausreichenden Deckungsvorschlägen versehen, so dass hieraus keine Mehrbelastung für die Umlagezahler entstehen würde.

In wenigen Sätzen stellen wir unsere Haltung zu den jüngst erhobenen Vorwürfen einer nicht öffentlich ausgeschriebenen Beratung dar. Grundsätzlich sehen wir den Bedarf einer externen Beratung für die Verwaltung des Bezirks Mittefranken. Die Höhe des Honorars erscheint uns auf vier Jahre umgerechnet angemessen und marktüblich. Aber die Art und Weise, wie der Bezirk diesen Berater ausgesucht hat und ob es tatsächlich für den ganzen Beraterprozess nützlich ist, für die gesamte Dauer ein- und dieselbe Person zu nehmen, stellen wir in Frage. Welche Chancen hat der Bezirk nicht genutzt, indem er von vorneherein auf eine öffentliche Ausschreibung verzichtet und auf Empfehlung gehandelt hat? Wie sieht es mit den rechtlichen Vorschriften aus? Diese Fragen möchten wir geklärt haben.

Meine sehr geehrten Herren und inzwischen auch Damen der CSU-Bezirkstagsfraktion, Sie nutzen ihren Spielraum, den Sie gegenüber der CSU-Landtagsfraktion haben, nicht aus. Diese schwierigen Haushaltsberatungen der Bezirke, die Art und Weise, wie die Erhöhung der Finanzausgleichsmittel nach langem Gezerre durch die bayerische Staatsregierung erfolgte, zeigen unserer Meinung nach klar und deutlich:

Die Bezirke stehen an einem „Scheideweg“.

Will der Bezirk Mittelfranken ein verarmter, eingeschüchterter Bittsteller von Gnaden der Staatsregierung sein?  Oder wollen wir ein selbstbewusstes, schwergewichtiges Regionalparlament mit eigenen finanziellen Gestaltungsmöglichkeiten, mit harten und weichen Aufgaben sein?

Um dies jedoch zu werden, fordern wir vor allem von Ihnen, der Mehrheitsfraktion

  • mehr Mut und Selbstbewusstsein für nötige Veränderungen und Aufgabenzuschnitte, um als demokratisch gewähltes Bezirksgremium langfristig bestehen zu bleiben.

Das beinhaltet auch Standfestigkeit, um mögliche Konflikte mit anderen politischen Gremien auf sich zu nehmen und auszuhalten.

Unser Fazit: Die Zielrichtung dieses Haushaltes kann nicht grüne Position sein. Wenn Gestaltung nicht mehr möglich ist, wenn im Bereich der Psychiatrie mehr Rück- als Fortschritte zu beobachten sind, dann können wir nicht zustimmen.

Wir danken den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bezirksverwaltung und der Kämmerei für die geleistete Arbeit. Sie haben nicht nur unter dem Druck der politischen Forderungen und Vorgaben versucht, in ihren Ressorts Einsparvolumen zu entdecken, sondern auch uns stets bereitwillig und ausführlich Auskunft zu unseren Fragen gegeben. Wir danken der Personalvertretung für Ihren Einsatz.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

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